Meinungs-Doping im Netz
Manipulierte Kommentare und Empfehlungen im Social Web sind verbreiteter als bekannt, sagen Insider, und manchen Firmen wichtiger als Öffentlichkeitsarbeit. Von Martin Bell
Offener Meinungsaustausch bei Amazon, HolidayCheck & Co.? „Lol“, würden Kenner wohl posten (für Uneingeweihte: „Laughing out loudly“). „Manipulation ist viel verbreiteter, als man weithin glaubt“, sagt Mark Pohlmann, Geschäftsführer der Hamburger Agentur Mavens, die auf Flüsterpropaganda im Social Web spezialisiert ist. Die Situation ähnele dem „Doping im Sport“: „Wo vitale wirtschaftliche Interessen berührt sind, gelten andere Spielregeln.“
WeTab, Deutsche Telekom, Stuttgart 21 – die jüngsten Enthüllungen über verdeckte Meinungsmache im Netz stellen offenbar nur die Spitze des Eisbergs dar. Hoteliers, hört man, graut vor Verrissen führender Reise-Communitys, Buchverlagen vor Nichtbeachtung ihrer Neuerscheinungen. Um ökonomische Totalschäden abzuwenden, lancieren sie anscheinend gezielt Fake-Kommentare. Astroturfing. „Wichtiger als PR“ sei das, schnappte ein Agenturchef auf der Frankfurter Buchmesse auf: „Zwei Fachverlage gaben unumwunden zu, dass Studenten in ihrem Auftrag Empfehlungen auf Amazon platzieren.“ Sieben Euro, berichtet „taz“-Autorin Silke Burmester, erhalte ein ihr bekannter PR-Handlanger für seinen wöchentlichen Blog-Eintrag zu Energiethemen. „Zwischen zehn und 150 Euro pro Auftrag“ (Website) verdienen die rund 13.000 Blogger, die mit der Baseler Agentur Trigami zusammenarbeiten. Zwar betont Managing Director Remo Uherek, die Kennzeichnung gekaufter Beiträge als Marketing-Post sei „immer Pflicht“ und werde „manuell“ kontrolliert. Nur: Wer will das garantieren bei mittlerweile mehr als 300 durchgeführten Kampagnen mit bis zu 500 Lohnschreiberlingen?
„Verbraucher mit ihren Erfahrungen zu imitieren, ist schlicht Betrug“, unterstreicht Mavens-Boss Pohlmann. Aber nicht jede Agentur nimmt es damit so genau, weiß auch er: „Der Graubereich beginnt dort, wo Absender den Bezug zu Auftraggebern vertuschen.“ Eine keineswegs unübliche Praxis: „Meinungen weitertreiben, das Augenmerk auf bestimmte Aspekte lenken – davon wird in Online-Shops und auf Vergleichsforen massiv Gebrauch gemacht."