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Erhofft und gefürchtet: „Theaterdonner“ gibt es nicht bei jeder Diskussion
15.03.2011   News
Wie Stars in der Manege
 
Sie bieten Spannung, Substanz, Wissen und Informationen – und sind ein geeignetes Instrument, um Unternehmen und Institutionen in Szene zu setzen. Allerdings verdient nicht jede Diskussion den Namen, und nicht jede Podiumsdiskussion ist es wert, besucht zu werden. Von Chan Sidki-Lundius
Ein langer Arbeitstag geht zu Ende. Erschöpft überlege ich, ob ich noch genügend Energie für den Besuch einer Podiumsdiskussion aufbringe. Das Thema ist spannend, es geht um die Zukunft der Medien. Sicherlich werden auch viele Kollegen bei der Veranstaltung sein. Also mache ich mich auf den Weg. Die Diskutanten sind bereits versammelt. Der Moderator führt kurz ins Thema ein und stellt die Teilnehmer der Diskussionsrunde vor. Nach den Eingangsfragen und -plädoyers entwickelt sich dann eine Diskussion, bei der die teilnehmenden Chefredakteure und Agenturvertreter vor allem sich selbst in Szene setzen: Sie sprechen in erster Linie für das Publikum und nicht miteinander. Geprägt ist die „Diskussion“ außerdem von Allgemeinplätzen und schnellen, teilweise unzusammenhängenden Themenwechseln, ein Austausch findet nicht statt. Kurzum: Es wird viel geredet, aber wenig gesagt. Nach eineinhalb Stunden ist die Veranstaltung zu Ende. Ich frage mich, was mir der Abend gebracht hat? Ich habe erfahren, dass Chefredakteure sich gern auch mal als „Zirkusdirektoren“ sehen, dass Social Media immer wichtiger werden und dass das iPad die Kommunikationslandschaft nachhaltig verändern wird – ich hatte mir mehr erhofft!
Leider bieten Podiumsdiskussionen häufig nur wenig Spannung, Substanz und Lernpotenzial, manchmal sogar unfreiwillig Komisches oder Tragisches. Das ist bedauerlich. Denn als diskursives Element sind Podiumsdiskussionen gut dazu geeignet, interessante Gespräche zu inszenieren, Positionen herauszustellen, Dissens abzubilden und etwaige „Gegner“ an einem Tisch zusammenzubringen. Doch was macht eine gute Podiumsdiskussion aus? Glaubwürdig und nutzwertig für das Publikum ist sie meistens dann, wenn auf dem Podium konträre Meinungen, verschiedene Erfahrungen und Charaktere vertreten sind. Eine Podiumsdebatte ist außerdem dann erfolgreich, wenn Thema, Moderator und „Podianten“ mit Bedacht – und mit Mut – ausgesucht wurden. Raum für Fragen aus dem Publikum ist außerdem ein Faktor, der Podiumsdiskussionen in guter Erinnerung bleiben lässt.„Mir machen Diskussionen Spaß, die den Namen auch verdienen und bei denen tatsächlich konstruktiv diskutiert wird.Wenn jeder bei diesen Runden nur sein Statement herunterbetet, kann eine wirkliche Diskussion natürlich gar nicht erst zustande kommen“, so die Überzeugung von Stefan Keuchel, Corporate Communications & Public Affairs Manager von Google Deutschland.


Richtige Planung ist das A und O

Viel Erfahrung mit Podiumsdiskussionen hat Jens Petersen, Leiter Unternehmenskommunikation von news aktuell. In dieser Funktion ist er auch für die so genannten media coffees verantwortlich, zu denen news aktuell regelmäßig einlädt. „Theaterdonner“ auf der Bühne ist etwas, das Petersens Augen zum Strahlen bringt. Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche Podiumsdiskussion ist für ihn vor allem eine gute Vorbereitung und Planung. „Das A und O ist das richtige Thema. Wenn die Zielgruppe nicht aufhorcht, dann sollte man es gleich sein lassen“, lautet seine Empfehlung. Fast ebenso wichtig sei ein knackiger Titel für die Veranstaltung. Da könne man sich ruhig ein wenig aus dem Fenster lehnen, meint Petersen. Sein Credo: „Bloß nicht wie ein Oberseminar daherkommen.“
Wichtig ist außerdem die optimale Zusammensetzung einer Runde mit Teilnehmern, die willens und in der Lage sind, ihre Positionen auf den Punkt verständlich darzulegen und auf Gegenargumente einzugehen. Diskussionsrunden mit mehr als sechs Teilnehmern haben meistens keinen Sinn, da dann kaum eine Chance auf eine anregende und informative Diskussion besteht: Zu sehr besteht bei zu vielen Teilnehmern die Gefahr, ins Beliebige abzudriften. Petersen hat gute Erfahrungen damit gemacht, vorab imaginäre Rollen zu definieren und zu überlegen, welche Konfliktpunkte sich konstruieren lassen. Relevant sei die richtige Mischung aus „Anzug- und T-Shirt-Trägern“, ist er überzeugt. Und natürlich müssen sich die Diskutanten auf Augenhöhe begegnen können, über ähnliche rhetorische Fähigkeiten und Sachkenntnis verfügen und ähnliche hierarchische Positionen bekleiden – kein Chefredakteur möchte mit dem Fachredakteur des Konkurrenzblattes aufs Panel! Zudem neigen Teilnehmer, die die anderen an Status oder Prominenz deutlich überragen, häufig dazu, die anderen – wenn auch manchmal unbewusst – zu Statisten zu degradieren. Bei der Planung einer Podiumsdiskussion ist es obendrein wichtig zu checken, ob der ins Visier genommene Experte auch wirklich der Richtige für das Thema ist. Möglicherweise ist er trotz seiner Fachkenntnis ein miserabler Redner und damit für einen Diskurs ungeeignet. Zu Vorsicht rät Jörg Abromeit, Gründer und Inhaber der Redeakademie, bei bekannten Selbstdarstellern. Diese seien zwar häufig Publikumsmagnete, aber vom Moderator nur schwer in den Griff zu bekommen.


Die Rolle des Moderators

Einen großen Anteil am Erfolg einer Podiumsdiskussion hat der Moderator. Er sollte immer gut vorbereitet, im Thema sattelfest sein und die Details kennen. „Eine gründliche Fakten-, Meinungs- und Personenrecherche ist daher ungeheuer wichtig“, weiß Mark Hübner-Weinhold, der als Ressortleiter Beruf & Erfolg, Sonderthemen beim „Hamburger Abendblatt“ schon mehrere Podiumsdiskussionen geleitet hat. In seiner Funktion als Moderator klärt er grundsätzlich ab, welchen zeitlichen Rahmen eine Podiumsdiskussion hat, wie sie ablaufen soll und ob der Veranstalter die Tontechnik entsprechend vorbereitet. Mit den Teilnehmern nimmt er etwa ein, zwei Wochen vor der Veranstaltung Kontakt auf: um sich vorzustellen und über die anderen Teilnehmer sowie den geplanten Ablauf der Diskussion zu informieren, sofern der Veranstalter dies nicht bereits getan hat. Fairerweise gibt er den Teilnehmern auch Hinweise zur thematischen Ausrichtung der Diskussion sowie zur Eingangsfrage. „Dies halte ich für wichtig, damit sich Menschen, die sich nicht wie Politiker ständig im Rampenlicht öffentlicher Diskussionen tummeln, gut vorbereiten können und sich auf dem Podium wohl fühlen“, erläutert Hübner-Weinhold. Persönlich trifft er die Teilnehmer idealerweise eine halbe Stunde vor Beginn der Runde vor Ort. Dann bespricht er mit ihnen letzte Details, zum Beispiel die Begrenzung der Redezeit auf maximal eine Minute pro Beitrag. Außerdem stellt er die Teilnehmer einander vor. Eine solche Vorgehensweise erachten die meisten Moderatoren als wichtig, um eine gute Chemie auf dem Podium herzustellen. Auch für unerfahrene Diskussionsteilnehmer ist vor allem der Vorabkontakt hilfreich, um das Eis zu brechen.
Während der Diskussion muss der Moderator nicht nur die richtigen Fragen stellen, sondern auch die Kontrolle über die Veranstaltung behalten, für eine zeitliche Ausgewogenheit sorgen und neutral bleiben. Falsche oder zumindest fragwürdige Einlassungen hat er zu korrigieren, zurückhaltende „Podianten“ ins Spiel zu bringen und Vielredner zu stoppen. „Eine gut sichtbare Sanduhr oder ein anderer Zeitmesser sind hilfreich, um Vielredner dazu zu bringen, sich kurz zu fassen“, erläutert Jörg Abromeit. Wichtig ist zudem, dass der Moderator bei Regelverstößen sofort beherzt, aber keinesfalls aggressiv durchgreift. Das betrifft sowohl unfaires Verhalten gegenüber einzelnen Teilnehmern als auch den Umgang mit der Zeit. Wenn es dem Moderator zusätzlich gelingt, Details und Anekdoten aus den Diskutanten herauszukitzeln und den einen oder anderen Streitpunkt zu kreieren, dann ist das das Salz in der Suppe für eine funktionierende Runde. Darüber hinaus ist es schön, wenn der Moderator Humor mitbringt und nicht staatstragend daherkommt. Letztendlich wollen die Gäste bei aller Ernsthaftigkeit der Diskussionsthemen auch unterhalten werden!


Der eigene große Auftritt

Wer selbst dazu eingeladen ist, auf einer Podiumsdiskussion seine Ideen zur Finanzkrise, zur Gesundheitspolitik oder zur Medienwelt zum Besten zu geben, sollte sich ebenfalls gut vorbereiten und eine klare Zielsetzung für die Veranstaltung entwickeln: Was will ich erreichen? Was sollen die Zuhörer wissen? Wovon und womit will ich überzeugen? Was sollen die Zuhörer über meine Organisation und mich denken? Um beim Auftritt auch wirklich mit kurzen Sätzen und guten Argumenten überzeugen zu können, fixieren selbst erfahrene Medienleute Inhalte vor ihrem Auftritt kurz in schriftlicher Form. Das ist eine gute Methode, um Argumente und Beispiele gedanklich vollständig zu ordnen. Bei der Diskussion geht es darum, souverän, kompetent, glaubwürdig und vor allem auch sympathisch aufzutreten. „In der Öffentlichkeit gilt: Wer sympathisch wirkt, hat Recht. Oberlehrerhaftes Verhalten, übertriebene Selbstdarstellung und autoritäres Gehabe hingegen gehen nach hinten los“, warnt Abromeit. Wer an einer Podiumsdiskussion teilnimmt, ist zudem gut damit beraten, die eigenen Kernbotschaften knackig auf den Punkt zu bringen. Für komplexe Sachverhalte bietet sich die Vorbereitung von Bildern, Analogien und Metaphern an. Bei Veranstaltungen mit Anmeldepflicht oder brisanten Themen kann es vorteilhaft sein, die Liste des Publikums zu kennen. Immerhin taucht bei bestimmten Themen immer wieder ein kleiner Kreis von Fachleuten, Lobbyisten und Interessenvertretern im Zuhörerkreis auf. „Der Umgang mit den zu erwartenden Einwänden und Gegenargumenten kann vorab trainiert werden. Das gilt auch für Eingangs- und Schluss-Statements“, sagt Jörg Abromeit. Und schließlich liegt auch bei Podiumsdiskussionen die Würze in der Kürze: „Getretener Quark macht breit, nicht stark!“, wusste schon Goethe.
Foto: obs/news aktuell GmbH

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