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28.05.2008   News
Zeit der Nutznießer
 

Die Uefa geht für ihre Hauptsponsoren gegen Ambush-Marketing vor. Migros, seit einem Jahr mit einer eigenen Kampagne zur EM unterwegs, wurde bislang jedoch nicht verklagt. Von Peer Brockhöfer

Sportliche Großveranstaltungen wie eine Fußball-Europameisterschaft gelten bei Unternehmen als ideale Plattformen für wirksames Sponsoring. Dass aber auch Fehler eine große Wirkung entfalten, gehört zum Risiko. So meinte es die Schweizer Bank Credit Suisse nur gut, als deren Marketer entschieden, 200.000 rot-silberne Bälle zur Einstimmung auf das Kick-Event unters Volk zu bringen. Mit Anzeigen und PR-Offensive wurde die Aktion des Sponsors des Schweizer National-Teams beworben, gerne mit dem Hinweis, die Bälle würden nicht mittels Kinderarbeit hergestellt. „10 vor 10“, das Nachrichten-Magazin des Schweizer Fernsehens, fand jedoch heraus, das der pakistanische Hersteller Sunflex Industries, den die Bank mit der Herstellung beauftragt hatte, seine Produktion an Ballnäher auslagert, die sehr wohl Kinder für sich arbeiten lassen.

Von der Peinlichkeit abgesehen, hat das Finanzunternehmen die Diskussion um die Produktion von Fußbällen – in der pakistanischen Stadt Sialkot wird ein Großteil der Fußbälle weltweit unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt – pünktlich zur EM in die Medien gebracht. Zudem kam die Aktion die Bank teuer zu stehen: Sie sah sich ob der Enthüllungen dazu verpflichtet, dem Kinderhilfswerk Unicef eine Million Franken zu spenden, was umgerechnet 617.000 Euro entspricht. Nahezu ein Schuldeingeständnis, denn was die Reporter herausgefunden haben, hätte auch die Bank recherchieren können. Doch die gab sich mit einer schriftlichen Zusicherung des Herstellers zufrieden.

Stimmung angespannt
Damit hat die „UEFA EURO 08“, so die offizielle Bezeichnung, ihren ersten Skandal. Die Stimmung zwischen Fußball-Großveranstaltern, ihren Sponsoren auf der einen Seite und der Wirtschaft und der Bevölkerung auf der anderen ist spätestens seit der Weltmeisterschaft in Deutschland angespannt. Die Sponsoren selbst haben sich zudem bei den Stadtvätern in der Schweiz nicht beliebt gemacht. So titelte die „Sonntagszeitung“: „Sponsoren enttäuschen Euro-Städte schwer“. Hintergrund: Laut Vertrag haben sich die Sponsoren verpflichtet, sich auch bei den Fanzonen der Städte zu engagieren, damit die Gemeinden die Ausrichtung der Public-Viewing-Angebote refinanzieren können. Schließlich dürfen Fanzonen nur von den offiziellen Partnern gesponsert werden.

Lediglich die Bank UBS komme ihren Verpflichtungen zügig nach, so die Euro-Beauftragten der Städte. „Wir sind enttäuscht“, diktierten beispielsweise Marcel Brülhart (Bern) und Michel Kleiner (Genf) den Reportern in ihre Blöcke. Einschätzungen wie „mangelhaft“ oder „unter den Erwartungen“ sind aus Basel und Zürich zu hören. Erst Anfang Mai konnte Zürich vermelden, dass alle Sponsoren-Pakete vermarktet seien. Der Vorwurf, die Uefa nehme die Sponsoren nicht in die Pflicht, wiegt besonders, wenn die Uefa auf der anderen Seite Patrouillen durch die Städte schickt, um unerlaubte Werbung anzuzeigen. In der Presse macht der Begriff „Uefa-Polizei“ die Runde.

Eine Firma haben die Ambush-Fahnder besonders im Fadenkreuz: den Schweizer Einzelhandels-Riesen Migros. In einem „Standard“-Artikel wird eine Studie zitiert, die besagt, dass mehr als die Hälfte der Schweizer glauben, dass Migros einer der Hauptsponsoren der Fußball-Europameisterschaft ist. Das ist allerdings falsch, denn die Konzerne Adidas, Canon, Carlsberg, Castrol, Coca-Cola, Continental, Kia, JVC, Master Card und Mc Donald’s sind diejenigen, die exklusiv die geschützten Formulierungen und Logos nutzen dürfen.

Schnippchen geschlagen
Seit gut einem Jahr ist der Einzelhändler als einer der Ersten auf den EM-Zug aufgesprungen und wirbt statt mit „EM 08“ mit dem Logo „M’08“, wobei „M“ für Migros steht. Im Zentrum der Kampagne steht die „M’08 Fanmeisterschaft“, die als TV-Show zur besten Sendezeit vor der Tagesschau etwa 800.000 Menschen erreichte. Gesucht wurden die besten eidgenössischen Fußball-Fans in den „fantypischen Disziplinen“ wie TV-Weitwurf, Goal-Schreien, Fußball-Quiz, Torwandschießen und Tischfußball, der auf Schwiezerdütsch „Töggelikasten“ heißt. Bei letzterem geht es nicht einfach nur ums Tore schießen, sondern darum, den Ball mit einer möglichst großen Geschwindigkeit abzufeuern. Mittlerweile ist die Migros-Fanmeisterschaft auf Tour durch die Schweiz gegangen. In den Filialen wurden wieder die Fan-Disziplinen ausgetragen, deren Ergebnisse auf dem Kampagnen-Portal m08.ch in Ranglisten aufgeführt sind. Die Internetseite ist übrigens mit mehr als 20.000 registrierten Usern das größte Fanportal zur EM in der Schweiz.

Verständlich, dass die Hauptsponsoren sauer sind. Und mit ihnen die Uefa, die in Interviews und Verlautbarungen unentwegt gegen den Einzelhändler schießt. „Das Ziel der Migros scheint zu sein, eine möglichst große Konfusion herzustellen zwischen den offiziellen Euro-08-Aktivitäten und den inoffiziellen der Migros“, sagt Philippe Margraff, Marketing-Chef der Uefa gegenüber der „SonntagsZeitung“. Rechtliche Schritte sind bisher ausgeblieben, vermeidet Migros doch geschickt die geschützten Begriffe wie „Uefa Euro 08“ oder „Public Viewing“. Und überhaupt: Man dürfe gern die Geldmaschinerie der EM hinterfragen, ließ ein Migros-Sprecher auf Anfrage des „Standard“ ausrichten. Dass die Fan-Meisterschaft noch nicht juristisch von der Uefa angefochten wurde, liegt an einem kleinen aber entscheidenden Unterschied. „Es geht hier ja nicht um Fußball an sich, sondern um die Fans“, so Migros-Pressesprecherin Monika Weibel.

Letztendlich nutzt Migros das negative Image, das die Fifa vor zwei Jahren in Deutschland aufgebaut hat. Damals mussten Vereins-Museen zur Weltmeisterschaft geschlossen werden, weil auf den historischen Mannschaftsfotos Trikots mit konkurrierenden Marken gezeigt wurden. Stadion-Besucher wurden aufgefordert, Marken-T-Shirts umzukrempeln, wenn hier das Logo eines konkurrierenden Unternehmens prangte. Dass das zur Europameisterschaft nicht anders sein wird, ließ Zürichs Euro-Delegierter Daniel Rupf verlauten. Beim Besuch der Fanzone in Zürich sei sponsorengerechte Kleidung gewünscht. Man wolle aber gesunden Menschverstand walten lassen. Wenn jemand beispielsweise eine Mütze mit dem Logo eines direkten Konkurrenten eines offiziellen Sponsors trage, müsse er nichts befürchten. Sollten jedoch Dutzende Besucher das Logo eines Nicht-Sponsors tragen, würde man wegen gezieltem Trittbrettfahrer-Marketing einschreiten, so Rupf. Ob man auch gegen Besucher vorgeht, die nur zufällig unerwünschte Kleidung tragen, wurde nicht klar. Für die Fanmeile gäbe es solche strengen Bestimmungen nicht, das hatte die Stadt mit der Uefa langwierig verhandelt.

Zu Migros im Puma-Shirt
So kann der Besuch einer Fanzone zum Ärgernis werden. Nicht nur für diejenigen, die ihr T-Shirt umkrempeln müssen, sondern auch für die Sponsoren, denn letztendlich ärgert man sich über Adidas, wenn man sein Puma-T-Shirt nicht mehr tragen darf. Das kann einem bei dem Family-Park, den Migros im Juni nahe der Fan-Meile in Zürich aufbauen will, nicht passieren. Auf 5.000 Quadratmetern gibt es statt Public Viewing Spiel- und Kletterangebote für Kinder und Jugendliche. Außerdem gibt es in Kooperation mit dem Schul- und Sportdezernat Zürich Erlebnis-Unterricht am Vormittag an.

Derweil scheinen Branding und Promotion das größte Interesse der Hauptsponsoren zu sein. Continental verlost auf seiner EM-Sonder­page Tickets. Außerdem gibt es ein Video-Quiz mit National-Torwart Timo Hildebrandt. Dazu gibt’s Bandenwerbung in allen acht EM-Stadien. Ähnlich sehen die Konzepte der anderen Hauptsponsoren aus: Coca-Cola verlost Tickets in der „Bild“, Canon stattet das EM-Mediencenter aus und hat eine hohe TV-Präsenz mit der Uefa ausgehandelt. MasterCard setzt als Kreditkartenanbieter auf Point-Of-Sale-Promotions, McDonald’s stellt die Kindereskorte und JVC klebt EM-Logos auf seine Produkte. Adidas kann als Sportartikelhersteller immerhin einen klaren Bezug zum Fußball herstellen.

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