Trau, schau, wem
Coaching, Deals, Krisen-PR: Externe Kommunikationsberater gelten bei Unternehmen und Vorständen als willkommene Unterstützung. Nur eines werten hausinterne Chefsprecher als echten Affront: Engagements – und seien sie noch so sinnvoll –, die über ihren Kopf hinweg erfolgen. Von Bijan Peymani
Wenn Akteure zwar nicht im Verborgenen, aber doch im Hintergrund arbeiten (und bisweilen damit kokettieren), sie zugleich eine Aura von Macht umgibt und ihr Geschäft vor allem darin besteht, die öffentliche Wahrnehmung gezielt zu manipulieren, dann bauen sich unwillkürlich Vorurteile auf. Die Rede ist hier nicht von Werbern – das wäre zu viel der Ehre –, auch nicht von PR-Fachkräften. Es geht um externe, von Top-Managern in Grenzsituationen angeheuerte Kommunikationsberater, mitunter despektierlich als Einflüsterer oder eher mystisch „Spin Doctors“ tituliert.
Im anglo-amerikanischen Raum nehmen Medien-, Image- oder politische Berater eine feste, allgemein akzeptierte Rolle ein, hierzulande ist die Zunft nicht allzu gut beleumundet. Zum Teil trägt sie selbst Schuld daran. Tatsächlich arbeiten die meisten Vertreter integer, und sie leisten im Schulterschluss mit den firmeninternen PR-Verantwortlichen einen wichtigen Beitrag dazu, Schaden von ihren Auftraggebern – mal ganze Unternehmen, mal ausgewählte Vorstandsmitglieder – abzuwenden. Schon deshalb ist ihr Engagement im Grundsatz sinnvoll.
Für den Berater ist es oft eine Schlüsselstelle im Spiel, wie er mit dem hausinternen Kommunikationschef klarkommt – und umgekehrt. „Ein starker und selbstbewusster Sprecher sieht darin einen Vorteil, da die Entscheidungen am Ende besser werden“, spricht John Mengers, Consultant bei CNC in München, pro domo. Wichtig sei vor allem, dass der Berater seine Grenzen kenne. „Er hat nicht die operative Verantwortung, muss sich entsprechend zurückhalten und eng abstimmen“, mahnt Mengers. Wer dagegen verstoße, belaste die Zusammenarbeit – im Alltag funktioniere dies aber „meist reibungslos“. Die interne Pressestelle habe „üblicherweise“ das Heft in der Hand.
Für den Externen ist es nicht die erste Krise
Die Stunde der externen Berater schlägt insbesondere in erfolgskritischen Phasen von Firmen: Zu- oder Verkäufe und Fusionen zählen dazu, aber auch Krisensituationen – also immer dann, wenn die Medienleute besonders genau hinschauen, nur auf Fehler der Beteiligten warten oder gar schon eine vorgefasste Meinung publizieren. „Man braucht Consultants im Team, für die es nicht die erste Krise, nicht die erste große Restrukturierung bedeutet“, betont Volker Klenk, Managing Partner der Frankfurter Agentur Klenk & Hoursch, „da darf nichts schiefgehen.“
Für Sondersituationen, ob Krise, Transaktion oder Börsengang, wird in den meisten Fällen ein eigener Prozess unter Einbindung verschiedener Bereiche und externer Berater etabliert. Mengers: „Hier kommt der Projektverantwortliche fast ausschließlich aus dem Unternehmen.“ Das könne der Presseverantwortliche sein, je nach Aufgabenstellung auch ein Jurist oder ein Mitglied des operativen Managements. Entscheidend für den Erfolg sind laut Klenk Vertrauen und Offenheit, vor allem die Bereitschaft, einander zuzuhören.
Stunde der Eitelkeiten
Es sei jedenfalls „nicht die Stunde der Eitelkeiten oder der Berichtslinien“, skizziert Michael Reinert, Senior Managing Director des ebenfalls in Frankfurt ansässigen Spezialisten FD (ehemals A&B Financial Dynamics). „Sondersituationen sind schnelle, dynamische, häufig eskalative Prozesse unter hohem Außen- und Innendruck.“
Dass zumindest aus kommunikativer Sicht möglichst alles nach Plan läuft, dafür sollen die persönlichen, nach Eigendarstellung sogar freundschaftlichen Kontakte der Berater zu Medien, Kapitalmarkt und Politik bürgen. Man bringe mandantenseitig „die Perspektive der Stakeholder zur Geltung“, erklärt Reinert, räumt allerdings ein, dass sein Haus „hin und wieder“ auf Vorbehalte stoße, in der Folge die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit indes „schnell geschätzt“ würden. Reinert notiert, „dass sich immer mehr Unternehmen für Beratungspartner von außen öffnen und der deutsche Markt hier Anschluss findet an die anglo-amerikanische Routine“.
In dasselbe Horn bläst Ralf Hering, Principal Partner & CEO von Hering Schuppener in Düsseldorf, der unter anderem TUI berät: „Die Tatsache, dass Beratungen, die sich auf die Unterstützung bei Sondersituationen spezialisiert haben, konstant wachsen, sollte ein deutlicher Beleg dafür sein, dass dieser Zunft Vertrauen entgegengebracht und dieses mit entsprechender Leistung bestätigt wird.“ In der Tat ist den meisten Firmensprechern derlei Unterstützung hoch willkommen. „Grundsätzlich betrachten wir externe Berater als verlängerte Werkbank und Sparringspartner in einem“, sagt Felix Gress, Senior Vice President Corporate Communications bei Continental in Hannover.
Die bestehenden Ressourcen einer Unternehmenskommunikation reichten für das Abarbeiten einer außergewöhnlichen „Spitzenlast“ zusätzlich zum Tagesgeschäft oft nicht aus. „Darüber hinaus ist das Gewinnen zusätzlicher Erfahrungen und Erkenntnisse immer von Vorteil“, so Gress.
2008 hatte Conti die Agentur Hering Schuppener im Kampf gegen Schaeffler engagiert. Nach einer Phase, die von verbalen Attacken und gezielt gestreuten Indiskretionen geprägt war und in der wechselweise Schaeffler und Continental den Schwarzen Peter zugeschoben bekamen, ist es still geworden um die beiden Unternehmen. Auch ein Verdienst der engagierten Fachkräfte?
Zweckgemeinschaft auf Zeit
„Es ist kein Zeichen von Schwäche, externen Rat zu suchen und nicht nur auf die Innensicht zu vertrauen“, sekundiert Andreas Lampersbach als Leiter Konzernkommunikation bei MAN. Der Lkw-Bauer holte einen solchen im Ringen um den schwedischen Konkurrenten Scania ein. Inzwischen steht statt einer Übernahme die Kooperation beider Partner unter dem VW-Dach „ohne jegliche Kapitalverflechtung und ohne jegliche Markenverflechtung“ auf dem Programm. Hering hält projektbezogene, strategisch begleitende Beratereinsätze für „genauso professionell wie im Falle interner IT-Abteilungen, die mit IT-Beratungen zusammenarbeiten, oder Rechtsabteilungen, die Anwaltskanzleien beauftragen“.
Dass diese Zweckgemeinschaft auf Zeit gelingt, dafür müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllt sein, wie die Chefsprecher betonen. Zum einen wollen sie in die Vorüberlegungen zum Engagement von Consultants und idealerweise auch in deren Auswahl einbezogen sein. Zum anderen verwehrt sich das angestellte Personal – in der Praxis nicht immer mit Erfolg – dagegen, dass einzelne Führungskräfte direkt von außen beraten werden. „Dies führt zu unkoordinierter Vielstimmigkeit“, begründet MAN-Kommunikator Lampersbach. Gleiches gelte für die Konstellation, dass ein Externer für das Unternehmen eine Sprecherrolle übernimmt.
Vorstände, die hinter dem Rücken ihres Kommunikationschefs mit Beratern Kommunikation planten und umsetzten, machten diesen zum Kapaun, illustriert Klenk. „Über kastrierte Hähne weiß man: Sie stehen in der Hackordnung an unterer Stelle, sie gehen Rangordnungskämpfen mit ausgewachsenen Hähnen aus dem Weg und ergreifen vielfach auch die Flucht vor kampflustigen Hennen. Einen Kapaun als Kommunikationschef kann also kein Unternehmen wollen.“
Solch ein Szenario wäre für die Betroffenen ein Kündigungsgrund, bekennen Kommunikationsleute im kleinen Kreis. Wenn der Vorstand eigenständig Externe zu Rate ziehe, sei das ein Zeichen von Misstrauen oder zumindest von fehlendem Vertrauen in die Kompetenz der eigenen Leute, erklärt Ulrich Nies, Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft. Er habe „mehrfach beobachtet, dass so eine Konstellation auf Dauer nicht gut geht“. Vielmehr haben sich Berater ins Glied des Unternehmens einzureihen, ob sie einen Schreibtisch beziehen oder von außen zuarbeiten, ist dabei nachrangig. Entscheidend bleibt, dass die interne Pressestelle den Gesamtprozess steuert. Schwierig wird es für die internen Mitarbeiter, wenn ein Berater gegenüber der Unternehmensleitung die Auffassung kundtut, die PR-Abteilung sei eben hierfür gar nicht geeignet.
Die Sparringspartner dürften kritisch und herausfordernd sein, erklärt Conti-Sprecher Gress, „keine Chance haben dagegen ,spinnende Doctoren‘, die allein auf eigene Rechnung arbeiten und – verbrannte Erde im Unternehmen zurücklassend – ihrer Wege ziehen“. Es sind durchaus Fälle überliefert, wo Berater, ihre Rolle (freundlich gesagt) missverstehen und nur direkt mit Vorstand und Medien agieren wollten. TUI-Sprecher Uwe Kattwinkel: „Die Entscheidung, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, trifft ausschließlich das Unternehmen.“
Kattwinkel setzt den Engagements – Mandatierung und Beendigung gehen dabei von ihm aus – enge Grenzen: „Kommunikative Unterstützung in Fragen von Mergers & Acquisitions ist wegen der Komplexität, des Arbeitsaufwandes und der internationalen Dimension der geplanten Vorhaben häufig unverzichtbar, präventive Krisenberatung für jedes Unternehmen grundsätzlich sinnvoll. Aktionsbezogene Krisenbewältigung mit Hilfe externer Berater, die erst nach Ausbruch der Krise mandatiert werden, ist es in der Regel nicht mehr."