Exotischer als jede Mail
Warum die klassischen Pressemappen längst noch nicht aus der Mode gekommen sind, erläutert Thomas Kirschmeier
Pressemappen sind veraltet, Pressemappen sind langweilig, Pressemappen haben sich doch längst überlebt – sollte man meinen. Denn so oder ähnlich wird es immer wieder in PR-Seminaren, Workshops und Weiterbildungsveranstaltungen gelehrt. Elektronische Informationen dagegen sind up-to-date. Wer etwas auf sich hält, verschickt große Bilder und Texte, aufwändige Grafiken und Tabellen heute fast nur noch auf elektronischem Weg, per E-Mail. Bei Bedarf gezippt oder in kleinere Formate runtergerechnet. Das geht schnell und kostet nichts.
Diese Praxis hat aber auch erhebliche Nachteile. Sie führt vor allem zu überquellenden E-Mail-Postfächern – privat und in den Redaktionen. Das wiederum hat zur Folge, dass viele Mails ungelesen weggeklickt werden und im virtuellen Papierkorb landen. Nichtssagende Bemerkungen im Betreff-Feld der Mail wie zum Beispiel „Pressemitteilung von xy“ erhöhen die Wahrscheinlichkeit, unbeachtet gelöscht zu werden, erheblich.
Und sind wir doch einmal ehrlich: Neue Produkt- oder Unternehmensinformationen sind nicht immer das, worauf ein Journalist den ganzen Tag gewartet hat. Im Minutentakt schlagen die E-Mails in den Redaktionen auf, die Flut der elektronischen Messages ist oft kaum noch zu bewältigen.
Die Frage für jeden PR-Profi ist einfach: Wie kann ich mich von der anonymen Mail-Masse abheben? Wie kann ich die Aufmerksamkeit der Redaktionen wecken? Vielleicht doch mit einer professionell gemachten Pressemappe? Einen Versuch ist es wert! Denn Pressemappen sind heute schon fast exotisch, allein deshalb sind sie etwas Besonderes. Sie erregen Aufmerksamkeit. Sie demonstrieren dem Empfänger, dass man sich Mühe gemacht hat, dass die Nachricht, um die es geht, viel mehr als eine lapidare E-Mail wert ist. Eine Mail, die nichts gekostet hat und womöglich zu Tausenden verschickt wurde.
Ein persönliches Anschreiben auf Papier hat nicht nur einen haptischen Reiz, ist etwas zum Anfassen. Es vermittelt auch eine höhere Wertigkeit. Eine echte Briefmarke statt einer lieblosen Serienfrankierung „Infopost“ im Automaten wirkt. Noch einmal: Wir wollen die Aufmerksamkeit des Empfängers, wir wollen ihn für unser Thema einnehmen, ihn vielleicht sogar faszinieren, ihm auf jeden Fall in guter Erinnerung bleiben. Und ganz nebenbei bemerkt: Ein Brief mit Pressemappe hat auch andere Vorteile. Der Empfänger muss sich länger damit beschäftigen als mit einer E-Mail, die mit einem Klick im Nirvana verschwindet. Brief öffnen, auspacken, lesen – das alles braucht Zeit. Zeit, in der man sich mit dem Absender wortwörtlich „befassen“ muss. Und in der man neugierig wird auf den Inhalt des Briefes, den man da gerade öffnet.
Auch Pressemappen ermöglichen es, kreativ zu sein. Ausgefallene Designs oder aufwändige Druck- und Lackiertechniken, ein außergewöhnliches Layout und ein überzeugender und stimmiger Gesamtauftritt vermitteln Seriosität und Einfallsreichtum. Das ärgerliche Problem mit sich nicht öffnenden Dateianhängen, Virenübertragung und komplizierten Verlinkungen entfällt. Der Empfänger hat die Fakten vor sich liegen, mit einem Blick und ohne Klick.
Natürlich gehört in eine gute Pressemappe von heute auch eine CD mit abgespeichertem Text und mit digitalen Fotos. Beides sollte aber eben auch ausgedruckt beiliegen, schon wegen der schnellen Übersicht. Ein Blick auf die farbig ausgedruckte Bildauswahl, einmal den Text quergelesen, und schon ist man im Bilde. Und kann dann entscheiden, ob die beigefügte CD auch den Weg in den Rechner finden soll.
Thomas Kirschmeier arbeitet als Managing Consultant bei Borchert & Schrader Public Relations in Köln. Zuvor hatte er die Kommunikation des Marktforschungsinstituts rheingold geleitet.