„Kommunikation pur“
Deutschland gilt als Land der Messen. Veranstaltungen wie die CeBIT, die IAA oder die IFA sind Medienereignisse und Aushängeschilder für ihre Standorte zugleich. Von Frank Behrens
Am 2. März startet sie wieder, die CeBIT in Hannover. Das Motto in diesem Jahr: Connected Worlds. Partnerland ist Spanien. Der Veranstalter, die Deutsche Messe AG, erwartet ungefähr so viele Aussteller wie im Vorjahr, nämlich gut 4.000.
Das Messejahr kommt wieder auf Touren im Mutterland der Messen, als das die deutschen Messegesellschaften ihre Heimat gerne sehen. Auch im Jahr eins nach der Krise. Das heißt, ist die Krise eigentlich schon vorbei? Das wird wohl erst der weitere Verlauf dieses Jahres zeigen. Zeigen wird sich unter anderem auch, ob es noch einmal neue Fälle überbordender Konkurrenz wie in den vergangenen Jahren gibt. Da wurde die Games Convention Leipzig durch die gamescom in Köln ausgehebelt, das den Verlust der Popkomm an Berlin im Jahr 2004 noch nicht ganz verdaut hat. Fest abgesteckte Claims scheinen auch in der Welt der Messen ihre Gültigkeit verloren zu haben. „Es geht um eine endliche Zahl etablierter oder auch neuer Messethemen“, sagt Anja Brokjans von der Deutschen Messe Hannover.
Was macht Messen besonders? Welche Rolle spielen sie? „Messen sind Kommunikation pur“, sagt Guido Gudat, Sprecher der Koelnmesse. „Kommunikation zwischen allen ihren Marktteilnehmern und Entscheidern ist ihr primärer Zweck. Messeerfolg ist Kommunikationserfolg rund ums Jahr.“ Nüchterner drückt das Karsten Broockmann, Sprecher der Hamburg Messe, aus: „Wir kommunizieren aus einem einfachen Grund: Wenn niemand weiß, dass es uns gibt, kommt niemand.“
Kommunikation und das Heischen um Aufmerksamkeit ist insbesondere dort angesagt, wo die Messeplätze miteinander konkurrieren. Unbedingt dazu gehört die Positionierung des Standortes. Und die fällt bisweilen sehr unterschiedlich aus. Der Messeplatz Berlin etwa positioniert sich in besonderer Weise über die Stadt. „Wir haben eine innerstädtische Lage mit besten Verkehrsverbindungen“, sagt Sprecher Michael T. Hofer, der auch die „Nähe zur Politik“ ins Feld führt. Die zweite Besonderheit der Messe Berlin macht er in der Orientierung auf den Besucher aus: „Auch bei unseren Weltmessen haben wir in der Regel einen Teil, bei dem die Öffentlichkeit eingeladen ist, die Veranstaltung zu besuchen. Das macht uns aus.“
Als Beispiel nennt er die Internationale Tourismus-Börse (ITB, in diesem Jahr 10. bis 14. März) bei der im Vorjahr von den insgesamt 180.000 Besuchern rund 70.000 keine Fachbesucher waren. Als weiteres Pfund für Berlin führt Hofer ins Feld, dass sechs der zehn in Deutschland bekanntesten Messen in der Hauptstadt abgehalten werden: Die bereits erwähnte ITB, die Internationale Grüne Woche, mit der das Messejahr im Januar beginnt, die inzwischen jährlich im September stattfindende Internationale Funkausstellung (IFA), die Fruit Logistica (Februar), die Innotrans (September) und die Internationale Luftfahrt-Ausstellung (ILA) im Juni.
Messen wechseln ihre Plätze
Die ILA ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Claims zwischen den Messeplätzen auch früher nicht immer so abgesteckt waren, wie es auf den ersten Blick scheint. Erstmals 1909 in Frankfurt am Main veranstaltet, wanderte die Luftfahrtschau noch vor dem Ersten Weltkrieg (1912) nach Berlin, wo sie 1928 zum zweiten und vorerst letzten Mal als „ILA“ veranstaltet wurde. 1932 hieß die Messe im Vorgriff auf kommende Zeiten „Deutsche Luftsport-Ausstellung“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die ILA ab 1955 mehr als 30 Jahre auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen zu Gast – bis 1976 übrigens weiter als „Deutsche Luftfahrtschau“. 1978 erhielt die Messe ihren alten Namen ILA zurück, 1992 zog sie zwei Jahre nach dem Ende des Besatzungsstatuts wieder nach Berlin. Rechnet man die ILA ein, ist es der Messe Berlin in den vergangenen 20 Jahren sogar zweimal geglückt, eine bedeutende Messe abzuwerben; damit wäre sie der Hecht im Karpfenteich. Allerdings lässt Hofer den „Fall Popkomm“ nicht gelten: „Bei uns stehen ganz klar die Wirtschaftsthemen im Vordergrund, während es in Köln die kulturellen Veranstaltungen waren.“
Ähnlich wie Berlin positioniert sich auch die Hamburg Messe über die Zweitfunktion „Kongress“. Und auch Hamburg wuchert mit dem Pfund Innenstadtlage: „Wir haben uns damals ganz bewusst gegen ein größeres Gelände auf der grünen Wiese entschieden, das auch zur Debatte stand“, sagt Broockmann. So wurde das vorhandene Gelände in den vergangenen Jahren auf Kosten des Parks „Planten un Blomen“ erweitert, was nicht alle in der Stadt freute. Broockmann schwärmt von der „einmaligen Innenstadtlage“, die es auch vom Berliner Konkurrenten unterscheide. Und in der Tat liegt das Berliner Gelände an der Peripherie der alten westlichen Teil-Innenstadt um die Bezirke Charlottenburg und Wilmersdorf relativ weit weg von Politik und Verbänden in Mitte, während in Hamburg quirlige Stadtteile wie die Schanze und der ICE-Bahnhof Dammtor fußläufig zu erreichen sind. Wir lernen: Es gibt Innenstadtlagen und es gibt Innenstadtlagen.
Doch aufgrund der geringeren Größe gibt es auch Unterschiede in der Positionierung des Hamburger Geländes gegenüber Berlin: Publikumsmessen sind die Ausnahme, die Hamburg Messe definiert sich über hoch spezialisierte Fachmessen im Bereich Schiffbau und Luftfahrtindustrie, für die nur Fachbesucher zugelassen sind.
Veranstalter von Nischenthemen
Ganz ähnlich wie Hamburg positioniert sich Nürnberg. „Die NürnbergMesse stellt sich als Veranstalter von Nischenthemen auf“, sagt Pressesprecher Peter Ottmann, der zugleich in der Geschäftsleitung der Messegesellschaft sitzt. Ottmann sieht die NürnbergMesse als „Hidden Champion“, sehr spezialisiert, sehr international, sehr erfolgreich: „Und immer sehr nah am Kunden.“ Die Konkurrenz zu anderen Standorten sieht er gelassen. Die seien dann Konkurrenz, „wenn es um neue Themen geht oder wenn eine Messe den Standort wechseln will“. Doch in der Summe komme das relativ „selten“ vor. Für die verschiedenen Fachmessen werden in Nürnberg im Übrigen Werbeagenturen eingesetzt; für die Unternehmenskommunikation beschäftigt die Gesellschaft die Heidelberger Agentur Communication Harmonists, die einen Teil der Presseanfragen bearbeitet. „Allerdings nicht die Anfragen der Tages- und der Wirtschaftspresse“, sagt Ottmann. Das macht der Chef noch selbst, der nach eigenen Angaben „ungefähr 25 bis 30 Prozent“ seiner Zeit auf den Sprecher-Job verwendet.
Imagefaktor Messe
Die Messe München versteht sich als „innovativer Messeveranstalter“, der seine rund 40 Veranstaltungen, nicht wenige davon Leitmessen, auch international durchführt. Wobei das keine Münchner Besonderheit ist, das machen fast alle großen deutschen Messen. München schätzt sich glücklich, dass die meisten ihrer Fachmessen ein stabiles Branchenumfeld wie Elektronik, Immobilien, Sportartikel oder Schmuck vorweisen können. Die Messe Frankfurt positioniert sich – wie sollte es anders sein – über ihre zentrale Lage in Deutschland und Europa direkt am Drehkreuz des Rhein-Main-Airports. Zudem verfügt Frankfurt über eines der größten Messegelände überhaupt, das es auch für große Publikumsmessen wie die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) prädestiniert. Pressesprecher Kai Hattendorf weist zudem auf den hohen Internationalitätsgrad der Messe Frankfurt hin (67 Prozent bei den Ausstellern, 38 Prozent bei den Besuchern), mit dem die Messe „erheblich zum Image Frankfurts und der gesamten Rhein-Main-Region“ beitrage.
Köln sieht sich ebenso als „einer der attraktivsten Messestandorte in Europa“. Die Domstädter wollen mit ihren Veranstaltungen „Impulse für das Geschäft ausgewählter Branchen“ geben. Die Erfahrungen mit der Popkomm und der Games Convention führen zu der Ansicht, dass der Standortwettbewerb der Messen „seit Jahren an Schärfe“ zunehme: „Standortwechsel von Messen sind beinahe an der Tagesordnung“, sagt Sprecher Gudat.
Die Messe Düsseldorf sieht sich selbst als „erfolgreichste deutsche Messegesellschaft mit eigenem Gelände weltweit“. 2010 wird die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt zwei Messepremieren feiern: Die solarpeq – International Trade Fair for Solar Production Equipment wird parallel zur glasstec vom 28. September bis zum 1. Oktober stattfinden. Ende November feiert die Valve World Expo, die Weltleitmesse für Ventile und Ventilzubehör, ihre Premiere am Rhein. Auch Andrea Gränzdörffer, Sprecherin der Messe Düsseldorf, sieht wie ihr Kölner Kollege Gudat einen intensiven Wettbewerb zwischen den deutschen Messegesellschaften, der sich „in den letzten Jahren deutlich verschärft“ habe. Sie führt das auf die hohe „Dichte herausragender Messegesellschaften“ zurück. Die Düsseldorfer sehen sich selbst dabei freilich nicht wirklich in Gefahr: „Auch wenn Nachahmungen unserer Veranstaltungen häufig versucht werden, sehen wir uns durch inländische Wettbewerber nicht gefährdet.“
Die Leipziger Messe, die sich als „nationaler Messeplatz mit internationaler Ausrichtung“ begreift, hat die harte Konkurrenz durch das Abwandern der Games Convention bereits deutlich zu spüren bekommen. Umso eher weiß sie die „gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen den deutschen Messeplätzen über AUMA und IDFA“ zu schätzen. Hinter der AUMA verbirgt sich der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der deutschen Wirtschaft; die IDFA ist die Interessengemeinschaft Deutscher Fachmessen und Ausstellungsstädte, in der sich zehn deutsche Messeplätze zusammengeschlossen haben, unter anderem Leipzig, Hamburg, Essen und Stuttgart, also die zweite Reihe unter den Großen.
„High Tech – hi Stuttgart!“
Die Schwabenmetropole definiert sich durch den sie umschließenden Wirtschaftsraum als Standort für Hightech-Messen. „Unser Ziel ist, mittelfristig wichtigster Hightech-Messeplatz in Deutschland zu werden“, sagt Thomas Brandl, Sprecher der Messe Stuttgart. Die baden-württembergische Landeshauptstadt musste ihre Messe in den zurückliegenden Jahren neu positionieren, nachdem die Neue Messe Stuttgart im Oktober 2007 eröffnet wurde. „Mit dem alten Messegelände am Killesberg waren wir längst nicht mehr konkurrenzfähig“, sagt Brandl. „Slogans wie ,High Tech – hi Stuttgart!’ sind inzwischen über die Kommunikation in den Köpfen verankert.“
Die Positionierung der Deutschen Messe AG Hannover ist klar. Die Niedersachsen zählen sich „zu den führenden Messeveranstaltern weltweit. Grundlage dieser Positionierung sind die hohe Zahl internationaler Investitionsgüter-Leitmessen, die überragende internationale Bedeutung der Messemarken CeBIT und Hannover Messe sowie das intensive Auslandsmessegeschäft.“ Dabei verliert die Messe AG aber auch die nationale Konkurrenz nicht aus den Augen – abhängig von ihrem Portfolio und ihren Potenzialen werden sie durchaus als „mehr oder weniger starke Konkurrenten“ eingeschätzt. International allerdings hebt Hannover die Koopera-tion mit Düsseldorf und München hervor.
Zielgruppen: Aussteller und Bürger vor Ort
Als wichtigste Zielgruppen der PR werden von den Messegesellschaften unisono die Tages- und Wirtschaftspresse ausgemacht, so lange es sich um Standort- und Unternehmensfragen handelt. Erreicht werden sollen so einerseits Kunden, das heißt Aussteller, andererseits auch die Bürger vor Ort. Bei Fachmessen kommen selbstverständlich auch die jeweiligen Fachmedien ins Spiel. Fast alle Messegesellschaften arbeiten zudem eng mit den jeweiligen Stadtmarketing-Organisationen zusammen.
Das Internet wird dagegen noch vornehmlich als Servicekanal und Ort für die virtuelle Visitenkarte betrachtet. Die durch Social Media neu hinzugekommenen Möglichkeiten, mit den Zielgruppen in engem Kontakt zu bleiben, werden bislang eher zaghaft ergriffen. Relativ weit ist dabei nach eigener Aussage noch München, das gerade daran arbeitet, „das Internet als Ganzjahresplattform in unser Konzept zu integrieren und Messe und Internet noch enger zu verzahnen“, wie Nicole Göttlicher von der Messe München sagt. Die Koelnmesse lotet die neuen Möglichkeiten der digitalen Kanäle insbesondere anlässlich der gamescom und der dmexco aus, der digital marketing exposition & conference, die erstmals im September 2009 stattfand. Aus Anlass der CeBIT 2010 wurde seitens der Deutschen Messe AG ein eigener Kanal geschaffen, der nun zum Dialog über Facebook, Youtube, Xing und Twitter aufruft. Diese Kanäle nutzt auch die Messe Frankfurt, die auf diese Weise auch „zwischen den Messen“ mit Kunden und Interessenten in Kontakt bleiben will. Die Messe Berlin hat es bei ihren Twitter-Aktivitäten insbesondere auf Online-Redakteure als Follower abgesehen, die die Funktion von Multiplikatoren übernehmen sollen. Bei aller Online-Begeisterung ist Thomas Brandl von der Messe Stuttgart auch sicher, dass das Internet die Messen „niemals ersetzen“ wird. Ein „geniales Komplementärmedium“ aber sei es allemal. Der Sinn der Messe aber ist nun gerade einmal, dass die Menschen sich treffen.