Corporate Speaking: Authentische Manager?
Einst „Offenheit“, heute Authentizität: „Authentische PR“ und „Authentische Auftritte“ geistern als Ziele durch die PR-Landschaft. Was ist das, wer braucht es? Und warum das Beharren darauf? Von Stefan Wachtel
Der erste Grund ist ein Klischee: Der Deutsche ist fachlich gut – und authentisch; allerdings: authentisch auf einer naiven Stufe. Und es ist naiv, wenn professionelle Auftritts-Vorbereiter ihren Klienten Authentizität einreden oder durchgehen lassen. Der zweite Grund ist historisch: Seit der Romantik, die den wahren Menschen zu bewahren versuchte durch Ausflüge in Wald und Flur, sucht der Deutsche das Echte. Der dritte Grund für die vorgebliche Sehnsucht nach dem Echten: Wer als auftretender Manager nicht an sich arbeiten will, kann sich hinter Authentizität der Stufe I verstecken.
Vor allem, wer wirklich Authentizität bewies und sagte, was er wirklich dachte, bezahlte dafür mit seinem Job: Männer, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machten, die auch schon mal ihr Publikum beleidigten mit den Worten „Das ist eine unverschämte Frage“, oder der Familienunternehmer, der auf der Hauptversammlung schimpfte: „Sie Dünnbrettbohrer!“ Weil sie authentisch aus der Rolle fielen. Weil es nicht zum professionellen Auftreten von Managern gehört, andere Menschen zu beleidigen.
Den Manager, der einfach so ist, wie er ist, und der diese oder jene Rede nicht hält, weil ihm das nicht liegt, den gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht in der ersten Reihe.
„Die Kunst soll die Kunst verbergen“ hieß es vor 2.000 Jahren. Es muss so aussehen, als sei es authentisch. Vielleicht sollte sich die PR auf die alte Rhetorik besinnen, wenn es um die Auftritte der Spitzenmanager geht – Gemeinsamkeiten gibt es:
Rhetorik und PR wollen beide wirken – auf das Publikum, auf die Öffentlichkeit – meist mit dem Ziel zu informieren und/oder zu überzeugen.
Der PR-Begriff „Issue“ zum Beispiel ist eine 2.500 Jahre alte rhetorische Kategorie („das Strittige“).
Wie die Rhetorik sucht die PR den Anschluss durch das, was nicht in Frage steht – den Gemeinplatz, den kleinsten gemeinsamen Nenner.
Integrierte Auftrittsvorbereitung (Corporate Speaking) ist in Deutschland relativ neu. Die Richt-linien der Unternehmenskommunikation werden von Anfang an in die Vorbereitung eingebunden – Inhalte und Performance, Marke und Person werden überein gebracht.
Der auftretende Manager steht für etwas, und das definiert seine Rolle. Diese Rolle und das Typische der Person, das ist die Mischung, die die Aufgabe verlangt. Denn Spitzenmanager stehen nicht als Privatpersonen vor Mitarbeitern, Journalisten und Anlegern. Sie stehen für die Marke. Und für diese Marke des Unternehmens ist es nicht wichtig, wie die Darsteller „eigentlich“ und „wirklich“ sind. Aber alle wollen eine Wert schaffende Rede, ein knackiges Statement, eine gute Antwort, kurz: die Verkörperung der Marke. Die Aufgabe heißt: Menschen überzeugen. Es braucht den gekonnten Eindruck von Authentizität, Authentisch Stufe II. Ist es „gut gemacht“, eben nicht nur authentisch, dann werden Spitzenmanager beim Auftritt ihrer Rolle gerecht – ein gewaltiger Unterschied zwischen authentisch sein und dem authentisch scheinen.
Literatur/Background:
Wachtel, Rhetorik und Public Relations. Mündliche Kommunikation von Issues. München 2003
Corporate Speaking, Auftritte des Spitzenmanagements. Positionierung, Executive Coaching, Dresscode. Bonn und London 2004
Stefan Wachtel ist Senior Coach bei ExpertExecutive und Experte in CEO-Kommunikation. Er bereitet unter anderem Dax 30- Vorstände auf Auftritte vor.