Dass eine Agentur einen weiteren Standort eröffnet, ist keine allzu große Seltenheit. Die Nachicht, dass Marktführer Pleon zum 31. März seine Zelte in Hamburg aufschlagen wird (siehe die in diesen Tagen erscheinende April-Ausgabe), dürfte allerdings an der Elbe für Bewegung sorgen. Aus mehreren Gründen.
CEO Frank Behrendt begründet die neue Filiale mit dem „hochinteressanten Kunden- und Personalmarkt“ und zusätzlichen Wachstumsperspektiven. Die Hansestadt boomt, auch in der PR-Wirtschaft. Mit fischerAppelt, achtung!, Edelman und vielen anderen sind dynamische Wettbewerber am Markt, die um Köpfe und Etats buhlen; hinzu kommen von jeher zahlreiche „hidden champions“, also alteingesessene, öffentlich unauffälligere Agenturen, die solide ihren Geschäften nachgehen. Der Markt ist also alles andere als übersichtlich.
Zudem ist die Büroeröffnung, die seit Monaten hinter den Kulissen vorbereitet worden war, für Pleon bereits der zweite Versuch, in Hamburg Fuß zu fassen. Als der Standort vor ein paar Jahren nicht gut lief, als die allgemeine Marktkrise ihr Tribut forderte, die Partner beim Marktführer unsicher und zerstritten waren und der Mutterkonzern BBDO von Nordamerika aus dem pluralistischen „Partnermodell“ ein Ende zu machen gedachte, da ließ die Agentur die ortsansässigen Büroleiter Kerstin Molthan und Dieter Schulze van Loon in die Selbstständigkeit aufbrechen.
Bei Pleon wird die damals erfolgte Aufgabe des Standortes Hamburg intern schon seit längerem als strategische Fehlentscheidung gesehen. Der Erfolg des Spin-offs Molthan van Loon (MvL), der sich (fast) aus dem Stand in kurzer Zeit zu einem der führenden Player in der Hansestadt entwickelte und bislang im Top-Segment des Marktes behauptet, gibt dieser Interpretation Recht.
Seit der (überaus freundschaftlichen) Trennung operiert MvL als „Exclusive Associate Partner“ des Marktführers in Hamburg und Norddeutschland. Diese Konstruktion bleibe bestehen, beteuert Behrendt, beschränke sich aber künftig nicht auf Hamburg. Das könnte man freilich so auslegen: MvL darf künftig getrost deutschlandweit im Pleon-Wasser fischen – denn Pleon macht MvL nun auch in Hamburg Konkurrenz. Behrendt wiegelt ab: In der ganzen Zeit habe es mit MvL weder Kundenkonflikte noch Konflikte um Kunden gegeben, warum also in Zukunft?
Leiterin des Pleon-Standorts mit zunächst zehn Mitarbeitern wird Sweelin Heuss (37). Die erfahrene Beraterin wechselt aus dem Düsseldorfer Büro an die Elbe. Ferner ordnet Pleon dem neuen Büro die „supporting partner“ Sabine Hückmann und Dirk Popp zu. Beide haben die Pleon-Standorte Stuttgart und Dresden mit aufgebaut.
Für Europas größte PR-Agentur ist die Standorteröffnung alles andere als unlogisch: Pleon will (und muss) wachsen, und das geht in Hamburg derzeit, so die Hoffnung, besonders gut. Glaubt man den Verantwortlichen, so lassen sich derzeit viele qualifizierte PR-Leute dafür begeistern, an die Elbe zu wechseln: aus Frankfurt, Köln, Düsseldorf, sogar aus München und Berlin.
Auch CEO Behrendt selbst will vor Ort Flagge zeigen. Der umtriebige Agenturchef hat nach eigener Aussage sein halbes Berufsleben in der Hansestadt verbracht, unter anderem bei „Bild“. Behrendt weiß um die Spezifika des eigenwilligen Standortes: Hamburg gilt als reich und weltoffen, funktioniert aber letztlich auf der Basis etablierter Kontakte und konservativer Dynastien. Schon so manche Agentur hat diese Erfahrung zwischen Alster und Hafen machen müssen. (sv)