Huckepack nach vorn
Noch vor wenigen Jahren wurden Personalthemen von der Unternehmenskommunikation stiefmütterlich behandelt. Entlassungswellen und Fachkräftemangel haben jedoch dazu beigetragen, dass sich nun erste Ansätze einer eigenen Disziplin zeigen. Die Besonderheiten der Personalkommunikation beleuchtet der PR Report in mehreren Folgen. Für diese Ausgabe hat sich Birte Bühnen die Organisation von PR und HR genauer angeschaut.
Sechs Maultaschen, eine Frikadelle, zwei Brötchen, eine Scheibe Wurst, ein Leergutbon und eine Essensmarke – was sich wie die Einkaufsliste eines Junggesellen liest, bringt die jüngsten Prüfungen auf den Punkt, denen sich Geschäftsführer, Personaler und Handelsketten-Kommunikatoren gleichermaßen stellen müssen: Das Image von Arbeitgebern gerät durch Bagatell-Delikte zunehmend in die öffentliche Kritik. Doch was Unternehmenslenkern wichtig ist, ist es ihren PR-Managern noch lange nicht. Erst im März hat das EHI Retail Institute aus Köln in seiner Studie „PR im Handel 2010“ herausgefunden, dass 86 Prozent der befragten Geschäftsführer die Attraktivität als Arbeitgeber als ein eher wichtiges Ziel der PR ansehen. Dagegen halten 73 Prozent der Kommunikatoren dies für eher unwichtig.
Dieser Zwiespalt lässt das Wissenschaftler-Herz höher schlagen, zumindest das von Lothar Rolke, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz. Für ihn lautet Personalkommunikation das Gebot der Stunde – und zwar als neue, eigenständige Disziplin. Gemeinsam mit der Schumann Personalberatung aus Köln hat Rolke im November und Dezember vergangenen Jahres untersucht, wie PR-Kommunikatoren über die Fachabteilung Human Resources (HR) denken. Dabei ist herausgekommen, dass sich Personalkommunikation, also die kommunikative Auseinandersetzung mit Themen wie Entlassungen, Führungswechsel, Vergütung, Ausbildung oder Work-Life-Balance in den kommenden Jahren zu einer eigenen Kommunikationssparte innerhalb der Personalabteilung entwickeln wird, die nach innen wie nach außen kommuniziert.
„Ausgelöst hat diese Tendenz die seit drei bis vier Jahren zunehmende Dynamik auf dem Arbeitsmarkt“, sagt Rolke. Wenn Menschen nicht mehr ihr Leben lang bei einem einzigen Arbeitgeber beschäftigt seien, färbten immer mehr Meinungen und Berichte über die inneren Verhältnisse von Unternehmen deren öffentliches Ansehen. „Diesen Imagefaktor dürfen Unternehmen nicht unbeachtet lassen“, meint Rolke.
In Netzwerken denken
Doch warum sollte Personalkommunikation ausgerechnet von Personalern gemacht werden? Reiner Wolf hat seit zwölf Jahren gute Erfahrungen mit einer anderen Variante gemacht. 1998 war der jetzige Leiter Corporate Relations bei der Allianz Deutschland AG als Sprecher für Personalthemen eingestellt worden. „Damals ging es darum, nicht nur Personalmarketing zu betreiben, sondern zusätzlich durch Pressearbeit das Arbeitgeberimage zu stärken“, erinnert sich Wolf. Damit zählt der Versicherungskonzern nach Wolfs Aussage zu den Vorreitern einer professionellen Personalkommunikation. Mittlerweile hat das Unternehmen zwei ganze Stellen geschaffen, die sich aus der Unternehmenskommunikation heraus mit Personalthemen beschäftigen: Außer der Sprecherin Personal-Themen ist eine Mitarbeiterin der internen Kommunikation unter anderem für Personalthemen abgestellt. Wolf selbst kann als Leiter Corporate Relations ebenfalls zu diesem Komplex Stellung beziehen.
„Ein Vorteil unserer Variante liegt darin, dass wir Personalkommunikation besser in die unternehmensweite Kommunikationsstrategie einbinden können“, erklärt Wolf. Und: Themen ließen sich leicht Huckepack nehmen. Das heißt, dass der Vorstand in Interviews auch schnell ein paar Sätze zur Qualität der Ausbildung verlieren kann, ohne dass dafür ein großer Abstimmungsaufwand nötig wird. Allerdings bestehe die Gefahr, räumt Wolf ein, dass trotz regelmäßiger Meetings mit den Personalverantwortlichen Themen durchrutschen könnten. Deshalb setzt Wolf zusätzlich auf ein professionelles, internes Netzwerk zu seinen Kollegen aus der Personalabteilung. Insgesamt habe die strategische Bedeutung der Personalthematik im Laufe der vergangenen Jahre stark zugenommen, ist Wolf überzeugt: „Kommunikation ist eine Führungsaufgabe. Die Führungskräfte müssen befähigt werden, mit ihren Mitarbeitern zu sprechen.“ Nach wie vor habe bei der Weiterbildung der Mitarbeiter die Personalabteilung die Federführung.
Statistiken: Fehlanzeige
An welcher Stelle im Unternehmen diejenigen sitzen, die Personalkommunikation machen, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Zahlen darüber gibt es so gut wie keine. Auch die Managementberatung Kienbaum Communications aus Gummersbach liefert mit ihrer „HR-Trendstudie 2009“ keine repräsentativen Daten. Demnach sei HR-Kommunikation bei 55 Prozent der befragten Unternehmen in der Personalabteilung, bei 39 Prozent in der Unternehmenskommunikation angesiedelt und bei 31 Prozent als Schnittstellenfunktion zwischen Personal- und Kommunikationsabteilung organisiert. Kienbaum-Geschäftsführer Erik Bethkenhagen spricht von einem Vakuum, das noch bis vor einem Jahr auf diesem Feld geherrscht habe. Wo Personalkommunikation verankert sei, hänge auch vom Standing der jeweiligen Abteilung innerhalb des Unternehmens ab und entscheidend von der Größe der jeweiligen Firma. Wie Wolf empfiehlt er den Berichtsweg an die Unternehmenskommunikation. Den größten Vorteil sieht Bethkenhagen dabei darin, dass Human Resources jede Menge Themen für Medienberichte böten und da seien nun mal die Kompetenzen der Kommunikation gefragt.
Der Versicherungskonzern Axa aus Köln fährt zweigleisig. Medienreferentin Anja Barghoorn ist für die Arbeitgeberkommunikation zuständig, mit der sich Axa an potenzielle Mitarbeiter auf dem externen Arbeitsmarkt richtet. „Auf Projektebene entwickeln Personal-, Marketing- und Kommunikationsabteilung dieArbeitgebermarke gemeinsam stetig weiter“, sagt Barghoorn.Gesteuert wird dasProjekt von einer Kollegin aus der Personalabteilung, die bei Axa das Personalmarketing betreut. Die Mitarbeiter würden klassisch durch die interne Kommunikation informiert, sagt Barghoorn.
Erfolg mit dezentralem Personalmanagement
Bei der noventum GmbH in Münster ist Personalkommunikation Chefsache. Geschadet hat das der 77 Mitarbeiter umfassenden IT-Beratung nicht. Erst im Februar ist das Unternehmen vom „Handelsblatt“ als „Deutschlands bester Arbeitgeber 2010“ ausgezeichnet worden. Basis dieser Ehrung waren die Ergebnisse einer anonymen Mitarbeiterbefragung und eines so genannten Culture Audits, bei dem die Unternehmenskultur vor Ort von einem unabhängigen Institut geprüft wird. Die Teilnahme am Wettbewerb ist nur ein Mittel der Geschäftsleitung, mit dem sie ihren hoch spezialisierten Mitarbeiterstamm bei noventum halten will. Anspruchsvoll nennt Marketingleiter Matthias Rensing dieses Ziel: „Wenn das Geschäft gut läuft, arbeiten unsere Berater die meiste Zeit beim Kunden.“ Da muss die Mitarbeiterkommunikation gut organisiert sein. Er schätzt, dass bis zu einem Viertel der Belegschaft in die Mitarbeiterkommunikation, die bei noventum auch Personalthemen einschließt, eingebunden sind. Hauptamtlich beschäftige sich jedoch niemand mit Kommunikation nach innen oder außen. Er selbst greift mit seiner Abteilung die Ideen der Geschäftsführung auf und setzt sie unter anderem in Form einer Mitarbeiterzeitschrift um. Zudem arbeitet das Unternehmen seit Jahren mit einem freiberuflichen Kommunikationstrainer zusammen, der zum Beispiel bei internen und Kundenkonflikten eingreift. Die Unit-Leiter sorgen selbst für das Personalmanagement. Dabei müssen sie festgelegte Qualitätsstandards der Geschäftsleitung einhalten, was Kontaktdichte und -intensität betrifft. Personalleiter Frank Petersen vermittle bei Konflikten mit dem direkten Vorgesetzten, aber anders als vor zehn Jahren brauche man bei noventum zurzeit keinen zentralen HR- oder Kommunikations-Manager, sagt Rensing.
Auf der Suche nach der Marke Personal
Sicherlich würde Bernhard Schelenz Rensing vom Gegenteil überzeugen wollen. Er ist Geschäftsführer der Personalkommunikation Schelenz in Mainz und Mitherausgeber der Bücher „HR PR – Personalarbeit und Public Relations“ und „Personalentwicklung als Kommunikationsaufgabe“. Für ihn hat sich mit dem Aufkommen der HR-Kommunikation ein neues Geschäftsfeld aufgetan, das von den Unternehmen „nicht mehr nebenbei gemacht werden“ könne. Er weiß von Energiekonzernen, die ehemalige Journalisten für das Personalressort angeheuert haben oder von Personalern, die Berater wie ihn engagieren, um in kommunikativen Dingen fit zu werden. Im Zuge der veränderten Personalarbeit plädiert Schelenz für die Einführung neuer Begriffe, wie der HR-Brand, den Christoph Beck, Professor für Human Resource Management an der Fachhochschule Koblenz, in der Mai-Ausgabe der Fachzeitschrift „Personalwirtschaft“ erläutert.
Wie Schelenz fordern auch Professor Rolke und Lars Peter Linke ein Umdenken der Personaler. Allerdings geht Linke, der Kommunikationschef beim Hamburger Bildungsunternehmen Cognos AG ist, die Konzentration auf eine eigene Marke Personal nicht weit genug. „Leider wird HR-Kommunikation oft als Image-Kommunikation für die Services der HR-Abteilungen verstanden. Das greift zu kurz“, sagt Linke. Anders als Beck und Schelenz sieht er die Hauptaufgabe der Personalkommunikation nicht darin, die eigene HR-Philosophie bekannter zu machen oder das Markenverständnis der HR-Mitarbeiter zu erhöhen. Ihm geht es darum, duale Mitarbeiter zu schaffen, die sowohl Empfänger als auch Sender von Unternehmensbotschaften sind. Das funktioniere über die Förderung von „Ambassador-Kompetenzen“ wie einem gemeinsamen Werteverständnis und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Unternehmen sowie mit kommunikativen Fähigkeiten und anderen Soft Skills, schreibt Linke in einem seiner Fachartikel. Dazu müssten jedoch erst einmal Kommunikation und Personalentwicklung stärker miteinander verknüpft werden.
Angesichts der Veränderungen, die die sozialen Medien sowohl für die Kommunikation als auch für das Personalmanagement in Unternehmen mit sich bringen, erscheint diese Schlussfolgerung nachvollziehbar. Dennoch bleibt unklar, wie sich die beiden Abteilungen zusammenraufen werden. Das belegt auch die Studie von Lothar Rolke. Noch können sich demnach 70 Prozent der Kommunikationsverantwortlichen nicht vorstellen, dass Personalabteilungen einen eigenen PR-ler einstellen, der dann an den Leiter Personal berichtet.
Foto: PIZ Marine/ Björn Wilke