Zwei Große, viele Kleine
Der Markt für die Distribution von Pressemitteilungen ist in Bewegung geraten. Seit 2009 fordert ddp direct news aktuell heraus. Die kleineren Anbieter haben ein Wahrnehmungsproblem. CisionPoint wird im Zuge des Verkaufs des Cision-Kerngeschäfts an Infopaq als Distributionsdienstleister abgespalten. Von Frank Behrens
Der Platzhirsch pflegt das Understatement. Der Herausforderer tritt forsch auf und behauptet die Einzigartigkeit seiner Lösungen, was der Platzhirsch kontert. Die restlichen Anbieter haben ein Wahrnehmungsproblem. So lassen sich viele Einzelmärkte beschreiben. Der Markt für den Versand von Pressemitteilungen gehört dazu.
Jedenfalls seit ddp direct im vergangenen Jahr auf der Bildfläche erschienen ist und sich als Herausforderer des 20 Jahre älteren Marktführers news aktuell profiliert. Übrigens analog zu den angeschlossenen beziehungsweise übergeordneten Nachrichtenagenturen; auch dort versucht „David“ ddp (Deutscher Depeschen-Dienst) den etablierten „Goliath“ dpa zu attackieren. Den Anstoß gab die Übernahme der zweimal (1983 und 2004) bereits insolventen Agentur durch Peter Löw und Manfred Vorderwülbecke im Januar 2009.
Immer wieder kam es in der jüngeren Vergangenheit zu Marktbereinigungen bei den Meldungsversendern. So übernahm 2006 die norwegische Hugin Group den Leipziger Dienstleister directnews. Seit 2007 firmiert das Unternehmen auch in Deutschland unter dem Namen Hugin. Anfangs wurde die Angebotspalette ausgebaut und auch um den Bereich Seminare erweitert, der allerdings im Frühjahr 2009 eingestellt wurde. Heute konzentriert sich Hugin, mittlerweile seinerseits von Thomson Reuters übernommen, in Deutschland auf den Versand von Ad-Hoc-Mitteilungen.
Aktuell ist es die schwedische Cision-Gruppe, die ihre Evaluations- und Datenbanken-Dienstleistungen in Deutschland komplett an die dänische Infopaq-Gruppe verkauft hat. Lediglich Distributions-Leistungen werden künftig noch unter dem Namen CisionPoint in Deutschland angeboten. Eine Entwicklung, die sich in den skandinavischen Kernmärkten von Cision bereits früher vollzogen hatte.
Paukenschlag am Markt
Das Ende von Cision Germany in seiner bisherigen Form ist ein Paukenschlag am Markt, was auch Geschäftsführer Stefan Frohnhoff einräumt. Das Cision-Kerngeschäft, also insbesondere Medienmonitoring und Analyse, aber auch die Medienkontaktdatenbank, gehen an den Kopenhagener Mitbewerber Infopaq International, der diese Dienstleistungen auch in Schweden und Dänemark übernommen hatte. Damit firmieren die Standorte Kornwestheim und Baden-Baden ab 1. April unter Infopaq Deutschland GmbH; die dortigen Belegschaften, immerhin rund 240 Mitarbeiter, sollen übernommen werden. Dass die Gründung des CisionPoint-Büros in Frankfurt am Main mit derzeit fünf Mitarbeitern im vergangenen Oktober bereits in der Absicht der Ausgründung des Distributions-Geschäfts geschehen sei, verneint Frohnhoff, der ab 1. April die Infopaq Deutschland GmbH leiten wird. Frohnhoff war im März 2008 als Nachfolger von Oliver Grassy zu Cision gekommen, der der Stockholmer Chefetage zu eigenständig agierte. Bereits Grassy hatte die Zentralisierungspläne der Schweden, die sich unter anderem in einer Zerschlagung von Observer Argus Media (ab April 2007 Cision) in Einzelgesellschaften äußerte, umsetzen müssen. CisionPoint ist webbasiert und eine reine Portallösung. Als solche wird sie es voraussichtlich – wie bisher auch schon – schwer haben, sich im Markt zu positionieren, zumal dieser fast durch eine Art Duopol geprägt ist.
Schon directnews war seinerzeit, vor dem Kauf durch die Hugin Group, ein ehrgeiziger Herausforderer des Hamburger Marktführers. Die Parallelen springen ins Auge. Angesiedelt in Leipzig, geführt durch den Hamburger Wolfgang Zehrt. „Wir sind derzeit die einzigen, die alle Funktionen einer Social Media Release komplett integriert und gebündelt anbieten“, sagt Zehrt selbstbewusst. Wirklich „altbacken“ sei es, dass dies nicht längst Standard sei. Als Zielgruppe der Social Media Release (SMR, Basispreis bei ddp direct: 275 Euro) gibt Zehrt insbesondere Technologie- und Internetunternehmen an. „Aber darüber hinaus alle, die Dinge für jüngere Leute herstellen oder vertreiben. Und Blogger.“ Seit Februar hat ddp direct die Seite multimediamanager.de geschaltet, auf der SMR-Meldungen selbst konfiguriert werden können.
„Wir beobachten natürlich intensiv, was ddp direct macht“, sagt Jens Petersen von news aktuell, „aber das kann nicht unsere Messlatte sein.“ Er sieht den Herausforderer in einer komfortablen Situation, denn der könne sehen, was beim Marktführer am erfolgreichsten laufe und sich das heraussuchen. Petersen hebt den Service und die hohe Reichweite von news aktuell hervor. „Wir nutzen aber auch Twitter, flickr und picasa. Das macht die Geschichte natürlich wirklich offen.“ Um Online-Reichweiten zu erzeugen, empfiehlt Petersen einen persönlichen Verteiler plus news aktuell“. Was soll er auch sonst empfehlen? Die Multimedia News Release (MNR), quasi die news aktuell-Variante der Social Media Release, sieht Petersen als „Zusammenfassung dessen, was wir sowieso schon immer gemacht haben. Erweitert um eine eigene Website, die alles mit der Corporate Identity einer Firma zusammenfasst.“ Als Hauptzielgruppe der MNR nennt er international tätige Unternehmen. Die Erstellung einer MNR schlägt mit 2.350 Euro zu Buche, der Versand in Deutschland kostet nochmal 350 Euro, Kosten für den internationalen Versand sind Verhandlungssache. „Wir sind relativ hochpreisig, dafür bekommt man bei uns auch viel“, sagt Petersen. „Was die meisten Kleinanbieter machen, ist nur ein sehr sehr kleiner Baustein an Dienstleistungen. Das reicht nicht für einen serösen Dienst. Die Kunden sollten genauer hinsehen, was sie von ihren Dienstleistern bekommen.“
ddp direct/news aktuell: Imagetransfer
„news aktuell profitiert genauso wie wir von der Anbindung an eine seriöse Nachrichtenagentur“, sagt Zehrt, „wir können unseren Kunden damit einen extremen Vorteil bieten, denn jeder kennt dpa oder ddp. Andererseits heißt es für uns, dass wir hochgradig seriös arbeiten müssen. Denn nichts darf die Marke der Nachrichtenagentur beschädigen.“ In dem Punkt ist der ddp direct-Chef, der seit kurzem übrigens gleichzeitig Sprecher der Schwesteragentur ddp ist (PR Report 03/2010), mit Petersen von news aktuell einig: „Die Anbindung an die dpa spielt eine große Rolle für uns. Wir profitieren vom Ruf der Medienmarke. Gleichzeitig wird die redaktionelle Unabhängigkeit strikt eingehalten.“
Doch es gibt auch Skepsis, gerade was die Social Media Release betrifft. ddp direct presche in diesem Bereich vor, aber es sei noch kein Geld damit zu verdienen, heißt es bei einem Mitbewerber. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Grenzen zum Marketing verschwimmen, ist zu hören. Das ist sicher nicht von der Hand zu weisen, egal ob man sich die MNR-Seiten von news aktuell oder eben SMRs von ddp direct ansieht: Gebrandete Sites, die eigentlich eine Pressemitteilung sein sollen, aber ihre Einbindung in die Aussenderfirma nicht verhehlen. Nur ist es die Frage, ob die Urheber solcher Seiten dies überhaupt als Problem ansehen. Es mag zwar sein, dass eine solche Meldung im Konzerngewand bei manch seriösem Medium tatsächlich nur mit spitzen Fingern angefasst wird. Andererseits: Viele elektronische Medien, die Zehrt als einen Kundenschwerpunkt betrachtet, und der gemeine Blogger haben mit so einer Nachricht wohl kein Problem.
Elektronische Pressefächer
Die PresseBox wurde vom Karlsruher Huber Verlag im Jahr 2002 aus der Taufe gehoben. Mittlerweile sieht das Unternehmen sich als Marktführer bei Presseversendern aus dem Bereich Technologie und IT. Seit 2007 gibt es zusätzlich den Schwesterdienst Life PR, der Meldungen aus „Wellness, Reise, Sport und Entertainment“ verbreitet. Die Dienste des Huber Verlags basieren auf dem Prinzip der elektronischen Pressefächer, die an Firmenkunden verkauft werden. Daneben wird Twitter genutzt, auch eine Erfolgskontrolle bietet PresseBox an.
Der von Wien aus operierende Versender pressetext hat sich trotz einer großen Zahl von Abonnenten und Meldungen in Deutschland diesseits der Alpen nie richtig durchsetzen können. In Österreich dagegen ist pressetext Marktführer. Auch ohne Anbindung an eine etablierte Nachrichtenagentur. Ein traditionsreicher Nischenanbieter ist press1 aus München. Das Unternehmen versendet seit vielen Jahren Nachrichten aus der Musik- und Technologiebranche. In letzter Zeit ist der Bereich Health Care hinzugekommen. Ähnlich wie PresseBox basieren auch die press1-Dienste auf elektronischen Pressefächern. Auch press1 bietet seinen Kunden die Möglichkeit der Erfolgskontrolle an. Eine andere Nische bedient Radio Service aus Hannover. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Lieferung honorarfreier Beiträge und O-Töne für Hörfunkredaktionen. Daneben gibt es viele kostenfreie Pressedienste aus dem Umfeld des Suchmaschinenmarketing.
Sowohl news aktuell als auch ddp direct betonen lieber ihr Qualitätsbewusstsein. „Qualität geht vor“, sagt etwa Zehrt, „im Bewegtbildbereich lehnen wir aus diesem Grund sogar immer wieder Angebote ab.“ Andererseits weiß auch Petersen, dass der Kuchen noch nicht ganz verteilt ist, da viele Unternehmen sich beim Vertrieb ihrer Meldungen noch eigener Verteiler bedienen. Um dieses Potenzial heben zu können, muss man gute Argumente haben. Es wird nicht langweilig bei den Presseversendern.