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News / 50 Jahre DPRG – eine kritische Bilanz
Carl Hundhausen, DPRG-Präsident 1958 bis 1960
21.02.2008   News
50 Jahre DPRG – eine kritische Bilanz
 

1958 gründeten eine Handvoll Öffentlichkeitsarbeiter in Köln die Deutsche Public Relations Gesellschaft. Sebastian Vesper wirft einen Blick auf die Grünungstage und die Gegenwart. Im Gespräch: Verbandspräsident Ulrich Nies: über Elefantenrunden, Berufsheimaten und Igel in den Taschen.

Bei Tee, serviert von seiner ebenso charmanten wie resoluten Gattin und später natürlich auch mit Champagner, ist Friedrich Wilhelm Kleinlein schnell in seinem Element“, steht in den Aufzeichnungen der Beteiligten. Es ist ein Dezembertag im Jahr 2002, als sich eine Frau und zwei Männer aufmachen, dem Mitbegründer ihres Vereins zum Neunzigsten zu gratulieren. Der Verein heißt Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG), und der rüstige Jubilar gilt zu diesem Zeitpunkt, fast auf den Tag genau 44 Jahre nach der Verbandsgründung in Köln (8. Dezember 1958), als der letzte noch lebende Zeuge dieses Ereignisses.
Die sich da bei den Kleinleins eingefunden haben zu Tee und Schampus sind Rosemarie Büschel (seit einer gefühlten Ewigkeit Leiterin der DPRG-Geschäftsstelle und bis heute vielfach als die „Seele“ des Verbandes verehrt), Jürgen Pitzer, damals amtierender Präsident, sowie Klaus O. Skibowski,  früher PR-Berater von Adenauer und von ungezählten weiteren Granden der Bonner Republik. „Mich hat der Albert Oeckl ja dazu geholt“, hatte Skibowski bereits Jahre zuvor in Rosi Büschels geduldige Feder diktiert und nachgeschoben: „geprügelt. Ich wollte gar nicht, also Verbände und so – lass die Finger davon. Der einzige Verband, mit dem ich zusammen gearbeitet habe, war damals der BDI. Das war wichtig für Öffentlichkeitsarbeit, weil wir ja damals schon das Projekt hatten: Wir wollten ein Zweites Fernsehen machen.“

Eben dort, beim BDI, war Kleinlein Abteilungsleiter für Information und Kommunikation und stand dem „Arbeitskreis Presse“ vor. Kleinlein schrieb also ein paar Adressen von Leuten auf, die in den tonangebenden Industriepressestellen aktiv waren. 17 Herren erschienen zur Gründung: ein Abbild des Macht- und Relevanzgefüges von Wirtschaft und Politik der Bundesrepublik in den späten Fünfzigern. Carl Hundhausen, PR-Chef bei Krupp, wird der erste DPRG-Präsident, ihm folgt 1960 Sven von Müller, in gleicher Funktion bei Esso. Ein Jahr darauf bekommt Oeckl (BASF) den Posten. Er und Hundhausen sind, nicht zuletzt wegen ihrer regen Publikationstätigkeit, aus keinem PR-Grundlagenbuch mehr wegzudenken. Aber die Kerntruppe der DPRG war größer. Skibowski (zitiert nach Büschels Aufzeichnungen): „Das waren schon ein paar mehr (...), die wollten wir zusammenführen. Dem Journalistenverband passten sie nicht (...). Wir wollten diese Idee der Öffentlichkeitsarbeit als Dienstleistung für eine breite Gesellschaft wirklich nach vorne bringen.“


Dienstleistung für eine breite Gesellschaft. – Ungeachtet der Frage, welche Rolle Kommunikatoren wie Hundhausen oder Oeckl im „Dritten Reich“ gespielt hatten (Peer Heinelt sprach 2003 in seiner kritischen Dissertation von „kontinuierlichen Karrieren“), beschreibt Skibowskis Formulierung ein wesentliches Motiv dafür, einen Berufsverband zu schaffen. Denn die so genannten Gründerväter der PR in (West-) Deutschland, zuhause in den getäfelten Führungscasinos der großen Unternehmen und in der Entourage der Bonner Politik, verstehen und bezeichnen sich nicht als Verkäufer, sondern vielmehr als Vermittler in einem durchaus gesellschaftsorientierten Sinne: Sie wollen informieren und „aufklären“, vermitteln und ausgleichen. PR sei „das wichtigste Kommunikationsmittel der Demokratien, der freien Welt“, wird Oeckl 1983 zum 25. DPRG-Geburtstag pathetisch ausführen. Nebenbei basteln diese schweren Jungs der ersten Stunde an einem „Zweiten Fernsehen“.

Abgrenzung gegenüber jedweder „Verkaufe“ – zumal gegenüber Marketing und Werbung – ist über viele Jahre hinweg programmatisch zentral für die organisierte PR-Zunft, auch als Mitte der 1960er das Marketing auf die Öffentlichkeitsarbeit und ihre Mechanismen aufmerksam wird. Peter Szyska hat diesen Umstand ausführlich und treffend beschrieben („40 Jahre PR Report“, 09/2005). Gut möglich, dass in dieser wohlmeinenden, einer Identitätsstiftung von „PR“ gewidmeten Abgrenzungs-Ideologie die Tragik der DPRG liegt. Noch Anfang des 21. Jahrhunderts (Achtung: Zeitsprung) stellt Präsident Pitzer sein Konzept von PR als „RP“ („res publica“) in den Raum. Ein sperriger Ansatz, der von manchen bespöttelt wird, ohne dass er je wirklich durchdrungen und angemessen debattiert worden wäre.

Vielleicht liegt das auch daran, dass Pitzer einen recht eigenwilligen Kommunikationsstil pflegt. Der PR-Chef einer Landesbank und eng verbunden mit dem nadelstreifigen FAZ-Institut, verkörpert altbundesrepublikanische Elitenkultur und bildungsbürgerlichen Manierismus in Reinform. Auf größerer Bühne trifft Pitzer selten jenen Ton, den man in der globalisierten Post-New-Economy-Gesellschaft verstünde. Äußerlicher Höhepunkt dieser Schwierigkeit ist ein Auftritt im Bundespresseamt, bei dem Pitzer den Hauptstadtjournalisten einen batteriebetriebenen Taschenventilator zum (Werbe-) Geschenk macht, um daran „PR“ zu erklären. Der Präsident erläutert sinngemäß: Es ist klein, es ist transparent, und es kann viel bewegen. Stimmt – heiße Luft. Die Redakteure schütteln sich vor Lachen.


Zur Gänze verunglückte öffentliche Auftritte haben leider Tradition im Verband der PR-Experten. Leere Säle bei Pressekonferenzen, merkwürdige Verlautbarungen („DPRG gratuliert den Organisatoren der FIFA-Fußballweltmeisterschaft und der deutschen Nationalelf“, Sommer 2006), mehrstündige Preisverleihungen im kühlen Kirchengestühl – in 50 Jahren DPRG wurden eine Menge trauriger Highlights produziert. Aber auch ohne solche PR-handwerklichen Probleme, die in verhältnismäßig kleinen, ehrenamtlich geführten Organisationen nichts Ungewöhnliches sind, bewegt sich die DPRG, mehr als 45 Jahre nach ihrer Gründung, von der Mitte des Berufsfeldes an dessen Rand. Es sind „vereinstypische Gründe“, gepaart mit jahrelanger Selbstüberschätzung, die Beobachter gestern wie heute kritisieren: kleinliche Delegierte, die auf Mitgliederversammlungen bei ihrer Kritik gegenüber den Funktionären stark überziehen; Regional-„Fürsten“ (allein der Begriff!), die rebellieren; „wandelnde Bewerbungsmappen“, die den Verband als Bühne zur Selbstdarstellung missbrauchen; oder gar unfähige Ehrenämtler in den Provinzen. Vor drei Jahren kursierte eine Mail, in der ein DPRG-Mitglied die Zustände im Landesverband Hessen/ Rheinland-Pfalz/ Saar beklagte: „Bei den letzten Treffen saßen da pensionsreife Redakteure von Mitarbeitermagazinen, ein paar beschäftigungslose Nachwuchskräfte, vielleicht ein oder zwei Agenturchefs – und arbeitslose Kollegen.“
Zu allem Überfluss paaren sich im Jahr 2003 die Interessen einer Gruppe jüngerer Kommunikationsmanager mit denen eines noch jüngeren Berliner Medienunternehmers, und man gründete den Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP). Einfach so, und mit durchschlagendem Erfolg. Der BdP, der 2008 fünf Jahre alt wird, lief der DPRG, was Mitgliederzahlen und Aktivierungsgrad betrifft, binnen kürzester Zeit den Rang ab. Während die DPRG-Oberen sich zunächst indigniert gaben und bald in Aktionismus verfielen (Pressemitteilung vom 6. April 2004: „DPRG legt Köder für Schnäppchenjäger“) telefonierte sich das mit hoch motivierten Praktikanten bestückte Callcenter der Berliner längst quer durch die Branche und akquirierte Mitglied für Mitglied. Besseres Adressmaterial, professionellere Ansprache, attraktiverer Auftritt. Weniger „pomadig“ als die alte Tante DPRG, so würden es vielleicht die Fußballreporter sagen. Bald sah es so aus, als gehe der Altverband, der sich auch noch in einen Richtungswahlkampf um das Präsidentenamt verhedderte, mit stolz geschwellter Brust unter, während die Enkel des Gründers am Reißbrett breitentaugliche Kongresse in nie dagewesener Dimension aus dem Boden stampften.Es ist das Schicksal der DPRG, dass sie seit der BdP-Gründung auf die Frage reduziert wird, wie sie mit der jungen Konkurrenz umgeht. Der ältere Berufsverband hatte in Zeiten, in denen er noch das Deutungsmonopol innehatte, zu wenig daraus gemacht. Wohl auch deshalb verspürt mancher in der DPRG wenig Lust darauf, den Fünfzigsten groß zu feiern. Abgesehen davon gibt es dunkle Punkte in den Tiefen der Vereinsgeschichte, die man lieber nicht wieder aufwärmen würde. Der Freitod des langjährigen Geschäftsführers Christian Külbs Anfang der Achtziger gehört dazu (es ging um Bilanzen), ebenso der unrühmliche Abtritt des Führungsduos Ulrich Opherk und Klaus Januschewski in den Neunzigern (auch hier waren die Finanzen das Thema).Immer wieder hat sich die DPRG nach solchen Krisen irgendwie aufgerafft. Doch die lähmende Beschäftigung mit sich selbst – ein Phänomen von Verbänden, das beim erfolgsverwöhnten BdP derzeit allenfalls in Ansätzen zu beobachten ist – hat die DPRG Kraft gekostet und auch Anziehungskraft für Scharen von Menschen, die neu in PR-Berufe einstiegen oder von Nachbardisziplinen herüber wechselten. Längst repräsentiert der Verband nur noch einen verschwindend kleinen Teil „seiner“ Profession. Eine Folge: Viele Debatten aus fünf Jahrzehnten PR in Deutschland, die in einem vitalen Berufsverband kultiviert werden könnten, werden in der heute von Trend zu Trend taumelnden Networking-Berufswelt gar nicht mehr wahrgenommen. Der Branche fehlt ihr Gedächtnis.Immerhin zeigt ein Blick ins momentane DPRG-Innere: Die Stimmung dort ist besser geworden. Die Verantwortlichen wollen das begonnene Jubiläumsjahr dafür nutzen, nach vorn zu blicken anstatt zurück. Ein Beitrags-Discount-Modell spült neue Mitglieder in die Kartei. Präsident Nies hat sich vorgenommen, im Herbst erneut zu kandidieren (siehe Interview). Bis dahin soll es Partys und Diskussionsrunden über – natürlich – die Zukunft der Kommunikation geben. Ob nun bei Tee oder bei Champagner.Im Inneren scheinen die Voraussetzungen nicht allzu schlecht zu stehen, dass der Verband gestärkt aus seinem 51. Lebensjahr geht. Jedenfalls war die Lage schon mal düsterer. Ob aber die gefühlte Modernisierung auch von allen im Verein mitgetragen wird, ist offen. Ebenso die Frage, wie sich der bislang indifferente Teil der PR-Berufler künftig zur DPRG verhalten wird. Dieser große, mit Abstand größte Teil der so genannten Zunft.

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