Sie gelten als die günstige Alternative zu den multinationalen, zentral geführten Agenturnetworks. Claudia Ottow hat sich nach ihren Strukturen und Qualitätsstandards erkundigt.
„Viele Kunden haben in der Krise ihren Sinn für die Flexibilität und den Service inhabergeführter Agenturen geschärft. Die Kunden schätzen die lokale Kompetenz und das persön-liche Engagement der Agenturinhaber, die maßgeschneiderte Konzepte zu einem vergleichsweise günstigen Preis bieten können“, beobachtet Isabelle Stitz, Geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur PRP Kronberg und Geschäftsführerin des freien Netzwerks 27&More. „Unsere Kunden haben den Vorteil, dass sie nicht daran gebunden sind, ausschließlich mit 27&More-Partnern zusammenzuarbeiten. Sie können Agenturen individuell beauftragen und entlassen.“ Internationale Netzwerke spüren derzeit eine deutliche Belebung am Markt: „Das Cross-Country-Geschäft wird stärker. Unabhängige Netzwerke übertragen Kommunikationskonzepte durchschnittlich auf zwei bis drei oder sieben bis acht Länder. Dabei kommt das Geschäft vor allem aus Europa und den USA“, sagt Andreas Fischer-Appelt, CEO von fischer-Appelt und vormals Vice President EMEA des weltgrößten unabhängigen Netzwerks Public Relations Organization International (PROI).
Die Verwaltungsstrukturen dieser Netze sind vielfältig. Aus informellen Kooperationen können systematischere Strukturen bis hin zu Dachgesellschaften werden. Die Organisationen sollen wendig und schlank bleiben. „Eine komplexe Administration lenkt die Mitglieder nur unnötig von der Konzentration auf ihr Tagesgeschäft ab“, betont Mads Christensen, Network Director von Eurocom Worldwide. Seine Hauptaufgabe ist es, die Funktionsfähigkeit der Netzwerkstrukturen und die Qualität ihrer Arbeit zu sichern. Netze gründen Gesellschaften mit einem zum Teil rein formellen Sitz, haben reine Kooperationsverträge oder gründen sich auch mal als Verein wie 27&More. Oft gibt es ein ehrenamtlich arbeitendes, demokratisch gewähltes Management-Board, das die Strategie festlegt, den Kontakt zu den Mitgliedsagenturen pflegt und neue Mitglieder auswählt. Bei einer Mitgliedsagentur wird dann häufig gegen eine Aufwandsentschädigung ein Sekretariat angesiedelt, das sich um neue Mitglieder, Marketing und interne Kommunikation kümmert, wie dies etwa bei 27&More, GlobalCom oder PRN der Fall ist. „Unsere schlanke Struktur hat sich bewährt. Wir denken daher weder an eine Gesellschaftsform noch an eine Dachorganisation, womöglich mit bezahlten Mitarbeitern“, berichtet Sympra-Geschäftsführer und PRN-Board-Mitglied Veit Mathauer.
GlobalCom wurde 2004 von drei Agenturen aus Belgien, Deutschland und Frankreich als Partnernetzwerk gegründet. „Nachdem sich eine Zusammenarbeit mit dem European Social Funds abzeichnete, der ge-wisse rechtliche Strukturen verlangt, haben wir im Jahr 2006 die Dachgesellschaft GlobalCom PR-Network N.V. gegründet. Damit haben wir eine solide rechtliche und finanzielle Basis geschaffen und die operative Struktur gestärkt, mit der wir Kunden global auch in größeren Projekten und unter Beteiligung zahlreicher Agenturen optimal betreuen können“, erläutert Claudia Wittwer, Senior Manager International Business Development des GlobalCom-Netzwerks.
Die stimmberechtigten Vereinsmitglieder von 27&More entrichten 1.000 Euro Aufnahmegebühr sowie eine Jahresgebühr, die nach Honorarerträgen zwischen 1.000 und 3.000 Euro gestaffelt ist. Außerdem zahlen die Mitglieder fünf Prozent Provision auf Aufträge übers Netzwerk. Die Beträge fließen direkt wieder in das Netzwerk. Bei GlobalCom fallen Monatsbeiträge in unterschiedlicher Höhe an, die von der Größe der jeweiligen Agentur und des Marktes abhängen: Die größten Agenturen zahlen 800 Euro, für das Gros der Agenturen liegt der Mitgliedsbeitrag bei 400 Euro, und in kleineren Märkten fallen 200 Euro monatlich an. Mitgliedsagenturen, die GlobalCom-Partnern Geschäfte vermitteln, erhalten von diesen eine Provision von zehn Prozent des jeweiligen Umsatzerlöses über ein Jahr, bei Projekten zehn Prozent der Projekterlöse (ohne externe Kosten). PRN verlangt einen Jahresbeitrag in „überschaubarer Höhe“. Je nach Art der Projekte fallen Provisionen an, die beteiligten Agenturpartnern zu zahlen sind. Eine Jahresgebühr in Höhe von 3.000 Euro fällt bei Eurocom Worldwide an, aber keine zusätzlichen Provisionen auf Etatgewinne über das Netzwerk. Und auch die Mitglieder des PROI-Netzwerks entrichten eine durchschnittliche Jahresgebühr in Höhe von 6.000 bis 7.000 Dollar, aber keine Provisionen an das ehrenamtlich geleitete Netzwerk oder an beteiligte Agenturen.
Netzwerke als Wissensplattform
Auch wenn die Netzwerkkunden durchschnittlich nur zehn bis 20 Prozent zum Gesamtetat einer deutschen Agentur beitragen, ist die Netzwerkzugehörigkeit eine tragende Säule ihres Geschäfts. „Immer häufiger haben Agenturen nur dann Chancen auf Etatgewinne, wenn sie den Kunden auch eine gute internationale Betreuung bieten können. Wir profitieren zudem vom länderübergreifenden Wissensaustausch, da wir uns so schnell mit innovativen Praktiken, Instrumenten und Best Practice-Beispielen vertraut machen können“, findet Christoph Schwartz, Inhaber der Eurocom-Mitgliedsagentur Schwartz PR.
Mit einer aktiven internen Kommunikation tragen die Netze zum Aufbau persönlicher Arbeitsbeziehungen bei. Jahrestreffen, Workshops, Intranet und Newsletter spielen dabei eine zentrale Rolle. Außerdem halten die Mitarbeiter über Social Media-Tools ständigen Kontakt. „Je besser man sich kennt, desto besser klappt die Zusammenarbeit. PR ist People’s Business, daher haben auch die halbjährlichen Mitgliederversammlungen einen so hohen Stellenwert“, erklärt Mathauer. „Das internationale Geschäft profitiert, wenn die Mitarbeiter den Teamgeist im Netzwerk richtig pflegen“, bestätigt Claudia Wittwer. GlobalCom fördert den Kontakt und Zusammenhalt unter seinen Agenturen auch durch eine Interview-Reihe auf einem Blog, in der Mitgliederagenturen unterhaltsam von den PR-Eigenheiten in ihren Ländern berichten (
http://www.gcpr-blog.net).
Mit ausgewählten Partnern erweitern große Netze kontinuierlich ihre geografische Reichweite und die regionale Bandbreite ihrer Services und Kompetenzfelder. Der räumliche Fokus liegt vor allem auf der EMEA-Region, mit zunehmendem Engagement in Osteuropa und dem mittleren Osten sowie dem asiatischen und pazifischen Raum. In Europa agieren derzeit etwa 20 Netzwerke inhabergeführter Agenturen. PROI etwa ist in den letzten Jahren vor allem in Europa und in den USA gewachsen und hat ein gleichwertiges Standbein in Asien und im Mittleren Osten aufgebaut. Wachsen will PROI künftig vor allem in Asien sowie in Osteuropa und Afrika. Vom Prinzip „One-Agency per Country“ weichen die meisten Netzwerke nur dort ab, wo eine stärkere Spezialisierung gefragt ist. Große Netzwerke wie PROI, Worldcom und GlobalCom richten internationale Kompetenzteams ein zu Branchen wie Pharma & Healthcare, Touristik, Finanzen und Governmental oder Feldern wie Social Media und Krisenkommunikation. Diese Practice Groups teilen die Ergebnisse internationaler Umfragen, Reports und Recherchen. „Die zunehmende Verbreitung von Social Media erfordert eine neue Dialogorientierung über Landesgrenzen hinweg“, sagt Andreas Fischer-Appelt. Daneben entwickeln sich zunehmend spezialisierte Netzwerke wie ComUnity Pro im Bereich Technologie und High-Tech oder das EU-orientierte Netzwerk Eurolynx. Neben den globalen Netzwerken entstehen europäische mit globalen Ambitionen. 27&More wurde 2007 von ehemaligen Pinnacle Worldwide-Mitgliedern gegründet. „Unsere schlanke Organisation orientiert sich an der kulturellen Vielfalt Europas und seiner Märkte“, erklärt Isabelle Stitz. Das Netz pflegt heute eine strategische Allianz mit Pinnacle Worldwide. Weitere Netzwerke wachsen kontinuierlich und werben um Mitglieder: So nennt etwa PR Boutiques International noch keinen deutschen Partner.