Was ist das nun eigentlich, was Politik, Wirtschaft, Medien und angeblich auch die Öffentlichkeit seit vergangenem Sonnabend umtreibt? „Energiepolitischer Appell“ steht darüber, offener Brief wird es vielfach genannt, doch konzipiert ist der Aufruf zu „Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft“ als schlichte Anzeige. Herausgekommen ist nicht mehr als eine Art Flugblatt.
Der vermeintliche Appell der mehr als 40 Unterzeichner und mittlerweile mehr als 9.000 Befürworter, darunter unter anderen auch Krake Paul aus Oberhausen, entpuppt sich beim Lesen des Kleingedruckten als lose Aneinanderreihung von energiepolitischen Schlagworten wie Brennelemente- und Ökosteuer, Kernenergie, Kohlekraftwerke und „Ausbau der Erneuerbaren“ – wenig motivierend und gerade mal so appellativ wie die Aussage „Erna, das Bier ist alle!“ Die Politik wird sich davon allein jedenfalls nicht beeindrucken lassen und ihr „energiepolitisches Gesamtkonzept“ weiterhin so gestalten, wie es dem Fiskus am besten dient.
Der gemeine Wähler muss sich über all dies – so scheint es – keine Gedanken machen. Allein die politisch Verantwortlichen sollen sich die warnenden Worte zu Herzen nehmen. Worum es der Atomindustrie bei der aktuellen Debatte geht, stellt das Papier so klar: Erneuerbare Energien – ja, Atomausstieg – nein, wenn Brennelementesteuer, dann steigende Energiepreise. Dass diese Argumentation am Wähler völlig vorbei geht, zeigt ein Blick ins Internet. In Blogs und sozialen Netzwerken tut sich erstaunlich wenig. Gerade einmal zehn Personen gefällt die Seite, die RWE-Social-Media-Manager Stefan Balazs zur Energiezukunft bei Facebook eingerichtet hat. Bei der Konkurrenz, den Anti-Atomkraft-Gegnern, sind es immerhin schon 30 Personen. Und gerade mal 25 Mitglieder hat die Gruppe „Steinzeit? Nein danke!“, die den Appell der Energiewirtschaft wiederum unterstützt. Auch auf Twitter: Fehlanzeige. Keine relevanten Tweets zum Thema.
Bleibt die Frage, wer hier Mut braucht und wofür eigentlich? Der endgültige Atomausstieg kann es nicht sein, denn zu dem fehlt den Energiekonzernen der Wille. (bb)