Produkt-PR für teure Milch
Nach Milch und Butter sollen nun auch noch Quark und Käse teurer werden. So sehr sich Verbraucher darüber ärgern – unerwartet kam die Debatte nicht. Und ein Ende scheint in weiter Ferne. Von Uwe Förster
Der Chinese muss in letzter Zeit für vieles herhalten. Unsere Textilindustrie habe er schon mit seinen Billig-Klamotten auf dem Gewissen, heißt es. Seinetwegen würden die Benzinpreise steigen, er jubele uns gefährliches Spielzeug unter, und nun trinkt er gern Milch, weshalb wir zahlreichen Medienberichten zufolge mehr für Butter und andere Molkereiprodukte ausgeben müssen. Allerlei Kurioses hat die Milchpreis-Diskussion geboren. Auch Forderungen von Politikern aus Koalition und Opposition, wegen der Preise das Arbeitslosengeld II zu erhöhen. Oder eine Gratismilch-Aktion des Berliner Radiosenders 105’5 Spreeradio, der 1.000 Liter der kostbaren Flüssigkeit auf dem Ku’damm verschenkte.Das erste Bild, das die Medien den Verbrauchern zeichneten, war recht einfach. Erst allmählich wurde es differenzierter, ohne dass der gemeine Milchtrinker behaupten könnte, er habe inzwischen den Durchblick. Was war zum Beispiel davon zu halten, dass das Kartellamt Mitte August die Geschäftsunterlagen des Milchindustrieverbandes (MIV) und der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in Bonn prüft, um mögliche wettbewerbswidrige Preisabsprachen in der Branche aufzudecken? Schließlich wollte doch niemand in der Milchkette vom Erzeuger bis zum Einzelhändler von Preiserhöhungen profitiert haben.Die ZMP ist aus kommunikativer Sicht ein Gewinner dieser Diskussion. Denn viele Bundesbürger haben erstmals von dieser Institution und ihrer Daseinsberechtigung gehört. Die ZMP hatte offenbar am letzten Juli-Wochenende angekündigt, dass die Preise für Milchprodukte um bis zu 50 Prozent steigen würden. Und die Verbraucher mussten lernen, dass sie bei der ZMP ganz genau hinhören müssen. Eine zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich am 29. Mai, gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) verfasste Presseinformation ist zwar schon mit „Trendwende am Milchmarkt – Die Preise steigen“ überschrieben. Die ZMP bestreitet jedoch, jemals steigende Preise prognostiziert zu haben. Sie habe nur von einem „Preiserhöhungdruck“ im Milchsektor gesprochen. Das Kartellamt wollte aber nun wissen, wie es zu den Ankündigungen der Preiserhöhungen gekommen sei, die dann auch realisiert worden seien.
Vom Preisdruck zum Ruck
Auch das wirkt ein wenig skurril. Denn dass es Preissteigerungen geben würde, war schon Anfang des Jahres klar. Auf der Internationalen Grünen Woche im Januar wurden sie diskutiert, die Finanzmärkte beschäftigten sich ebenfalls mit dem Thema, das deshalb auch in den Finanzteilen wichtiger Wirtschafts- und Tageszeitungen aufgegriffen wurde. Entsprechende Agenturmeldungen schafften es in der Presse allerdings nicht bis ganz nach oben. Die Pressekonferenz mit der erwähnten Pressemitteilung von Ende Mai beweist, dass der „Preisruck“ nicht aus heiterem Himmel über Medien und Verbraucher hereingebrochen ist.
Im Gegensatz zu den Molkereien und den Discountern kamen die Milchbauern ganz gut weg. Sie wurden eher als hilflose Opfer dargestellt, denen das Geld, das ihnen aus den Preiserhöhungen zustünde, vorenthalten worden sei. Dabei trat der DBV jedoch verhältnismäßig wenig in Erscheinung. Der DBV-Präsident Gerd Sonnleitner lehnte sich zwar am 7. August in der „Bild“ weit aus dem Fenster, als er forderte, auch Fleisch müsse teurer werden. Ansonsten hielten sich die Medien gern an als einzelne Landwirte oder beispielsweise den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Der machte unter anderem mit einer Protestkundgebung in München auf die Situation seiner Mitglieder aufmerksam. Diese Vorgehensweise sei aber nicht Stil des DBV, sagt Pressesprecher Michael Lohse und erläutert, dass sich die Arbeit seines Verbandes auf anderer Ebene vollzogen habe. So seien direkte Gespräche mit dem MIV und dem Lebensmitteleinzelhandel geführt worden, um Einfluss auf die Preisgestaltung zu nehmen. An die Verbraucher sei nicht so leicht heranzukommen, schließlich würden die Bauern nur zehn Prozent ihrer Produkte direkt vermarkten, der Rest komme über Verarbeiter, Vermarkter und Zwischenhändler zum Konsumenten.
„Lebensmittel sind mehr wert“
Dennoch hatte der Verband mit anderen Organisationen schon im Jahr 2003 die bis heute fortgeführte Kampagne „Lebensmittel sind mehr wert!“ gestartet. Anlass waren – man staune – Preissenkungen für Milch und Milchprodukte. Ziel dieser Kampagne ist es, das Verbraucherbewusstsein für faire Lebensmittelpreise zu stärken. Demonstrationen gegen Dumpingpreise vor Supermarktketten waren Bestandteil der Kampagne. Eine Demo gegen Discounter zu organisieren, ist für den DBV jedoch einfacher, als eine gemeinsame Haltung zur Abschaffung der Milchquote (soll spätestens 2015 wegfallen) zu finden. Da geht ein Riss durch die Milchbauernlandschaft. Der DBV hatte sich in einer Abstimmung für das Ende der Quote entschieden. Hier muss weiterhin Überzeugungsarbeit geleistet werden.
„Die Bauern haben höhere Preise verdient.“
Interview mit Romuald Schaber, Vorstandschef des Bundesverbandes der deutschen Milchviehhalter
Herr Schaber, der Grünen-Europapolitiker Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf hat behauptet, die Milchviehhalter hätten die Molkereien durch Lieferstopp-Drohungen gezwungen, die Milchpreise zu erhöhen. Sehen Sie das auch so?
Wir haben am 27. Januar in Berlin den Molkereien unsere Preisforderungen mitgeteilt. Wir haben gesagt, wir erwarten, dass bis 1. Oktober ein Verhandlungsergebnis vorliegt, über das die Bauern dann befinden können. Die 40 Cent sind ja nicht aus der Luft gegriffen, sondern an unseren Kosten orientiert. Wir müssen beim tatsächlichen Auszahlungspreis noch deutlich höher liegen. Was der Handel in einer Nacht-Und-Nebel-Aktion jetzt daraus gemacht hat, hat mit uns nicht das Geringste zu tun, wir profitieren auch nicht davon. Graefe von Baringdorf hat richtig gestellt, dass die konsequente Vorgehensweise des BDM Bewegung in die Sache gebracht hat.
Wie schätzen Sie die Stimmung unter den Verbrauchern ein?
Für uns ist die Reaktion der Verbraucher eindeutig. Sie erkennen an, dass die Produkte seit dreißig Jahren im Preis unverändert sind oder gar billiger. Die Leute sagen, wenn wir schon mehr bezahlen sollen, dann muss entsprechend etwas bei den Bauern ankommen, die Bauern haben höhere Preise verdient. Wir werden daran arbeiten, dass diese Erkenntnis beim Verbraucher erhalten bleibt.
Bei wem sind die höheren Einnahmen aus den Preiserhöhungen gelandet?
Bei uns jedenfalls nicht.
Hat sich der BDM mit dem Deutschen Bauernverband abgestimmt?
Nein. Die Forderungen von Sonnleitner, auch Fleisch muss teurer werden, zeigen das Dilemma. Der DBV will alle gleichzeitig vertreten, und das geht einfach nicht. Im Bauernverband wird über Milcherzeuger von anderen Produzenten entschieden, und das lehnen wir ab. Die haben beispielsweise in Bamberg einen Beschluss zum Auslaufen der Milchquote gefasst, den wir nicht anerkennen, weil viele Leute mitgestimmt haben, die selber davon nicht betroffen sind.
Sie wollen die Quote beibehalten?
Die Frage ist: Was bedeutet eine Abschaffung der Quote? Wenn einzelbetriebliche Quoten weg sind, haben nur noch Molkereien die Möglichkeit zu sagen, wie viel Milch produziert und wie viel von ihnen angenommen wird. Der Gestaltungsspielraum wandert von den Produzenten zu den Verarbeitern. Das passt uns überhaupt nicht.