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07.08.2007   News
1981-83: Philips und Sony führen CD ein
 
CDs sind in Zeiten von MP3 und iPod schon fast Low-Tech. Anfang der 80-er Jahre war das anders. Die Industrie drückte das neue Produkt mit Hilfe eines technikverrückten Maestros in den Markt. Von Frank Behrens
"Die Schallplatte, deren technische Entwicklung vor mehr als 100 Jahren begann, steht vor einer revolutionären technischen Erneuerung. Durch Einführung der Digitaltechnik auf der neuen Platte und das berührungslose Auslesen der Musikinformation mit einem Laserstrahl werden die qualitativen Grenzen der heutigen Musikreproduktion auf Schallplatten aufgehoben. Die neue Schallplatte heißt Compact Disc Digital Audio, kurz CD.  (...) Die neue Platte ist frei von allen Rumpel- und Jaul-störungen. Die Musikwiedergabe wird durch Kratzer, Staub und Fingerabdrücke auf der Oberfläche der Platte nicht beeinträchtigt, da die eigentliche Information unterhalb einer transparenten Schutzschicht liegt, und dort berührungslos von einem Laserstrahl ausgelesen wird."(Presseinformation Philips Deutschland, Juni 1981)Am 15. April 1981 waren die Salzburger Osterfestspiele die Bühne, auf der die Compact Disc, der erste digitale Tonträger, Medien und Öffentlichkeit präsentiert wurde. Auf einer Pressekonferenz stellte der damalige künstlerische Leiter in Salzburg, Herbert von Karajan, den gänzlich neuartigen Silberling vor. Anwesend waren der Gründer und damalige Präsident von Sony, Akio Morita, und sein Vize Norio Ohga sowie einige Vertreter der Plattenfirma Polygram, damals ein Gemeinschaftsunternehmen von Philips und Siemens. Die Geschichte der Compact Disc beginnt sechseinhalb Jahre zuvor, im November 1974 in einem Philips-Forschungslabor. Der niederländische Elektronikkonzern hatte sich entschlossen, die Idee, Audio-Signale digital und optisch lesbar auf einem Medium zu speichern, weiter zu verfolgen. Nach fünf Jahren Forschung einigten sich die Eindhovener mit Sony, die digitale Schallplatte gemeinsam zu realisieren. Die Konkurrenten kooperierten nicht ganz freiwillig. Philips, aber auch Sony hatten bereits schmerzhaft erfahren müssen, wie riskant und teuer Alleingänge in der Unterhaltungselektronik sein können. Nicht nur das Scheitern der Quadrophonie-Technik war noch frisch in Erinnerung. Philips und Grundig versuchten Ende der siebziger Jahre erfolglos, ihr Video-2000-System im Markt durchzusetzen; nicht viel erfolgreicher war Sony mit Betamax. Das technisch eigentlich unterlegene Video Home System (VHS) der Firma JVC (Matsushita) setzte sich aufgrund seiner Lizenzvergabepolitik durch. Im Jahre 1978 hatte Philips außerdem die mit einem Laser abzutastende analoge Bildplatte Video Longplay (VLP) als „LaserDisc“ auf den Markt gebracht – und war angesichts der aufkommenden Videotechnik mit seiner attraktiven Aufnahmeoption gescheitert. Sony will an den Walkman anknüpfenDie Bildplatte war technisch gesehen eine Halbschwester der CD, arbeitete sie doch mit optischer Abtastung durch einen Laser. Die digitale Audioversion hatte jedoch den Vorteil, dass Sony mit Philips an einem Strang zog. Philips hatte das technische Know-how, Sony den Willen, das Produkt schnell im Markt durchzusetzen. Der japanische Konzern war ehrgeizig, 1979 führte er  gerade den Walkman ein (PR Report 03/2007) und suchte nun nach einem großen Anschlussprojekt.Die Sony-Spitze mit Morita und Ohga spielte dabei eine besondere Rolle. Der in Berlin ausgebildete ehemalige Opernsänger Ohga soll sich nach zeitgenössischen Aussagen bei Philips dafür stark gemacht haben, die Digitalplatte von 11,5 auf zwölf Zentimeter Durchmesser zu vergrößern. Dadurch wurde die Spielzeit von 60 auf 74 Minuten verlängert und es wurde möglich, Ludwig van Beethovens Neunte Sinfonie auf einen Datenträger zu bannen. Dieser Version nach hasste Ohga es, Platten umzudrehen und gar zu wechseln, erst recht bei seinem Lieblingsstück.Herbert von Karajan (1908-1989) ist eine Schlüsselfigur bei der Markteinführung des neuen Schallplattenformates gewesen. Er war seit den sechziger Jahren so etwas wie das öffentliche Gesicht der klassischen Musik – und er war ein Techniknarr mit besten Verbindungen zur Plattenindustrie, insbesondere zu Polygram, zu der auch das Klassik-Label Deutsche Grammophon Gesellschaft gehörte, und zu EMI. Enge Verbindungen unterhielt der Maestro auch zu Sony, dessen Präsident Morita ausgewiesener Karajan-Bewunderer war. Bei dieser Konstellation verwundert es nicht, dass der japanische Konzern dem Musiker modernste digitale Aufnahmetechnik zur Verfügung stellte. Auf dem Anwesen des Dirigenten in Salzburg entstand das damals modernste Digital-Tonstudio der Welt. Karajan war somit der perfekte PR-Botschafter für das neue Musikmedium. Höhepunkt dieser Tätigkeit war die eingangs erwähnte Pressekonferenz während der Salzburger Osterfestspiele 1981. Karajan führte den Journalisten nicht nur die Funktionsweise des Systems vor, sondern prägte auch gleich den Schlachtruf für die Ablösung der Vinylplatte durch die CD: „Alles andere ist Gaslicht!“, sprach der Maestro.Philips Deutschland hält unterdessen die Fachjournalisten mit Pressemitteilungen auf dem Laufenden. Bereits im Oktober 1980 wird der CD-Prototyp von Philips und Sony auf der Fachmesse All Japan Audio Fair präsentiert. „Die Schallplatte der Zukunft wird nicht mehr zerkratzt, sie ist frei von allen Störungen z. B. Rumpeln und Jaulen“, ist in der deutschen Philips-Presseinfo zu lesen. Weiter heißt es: „Berührungslos wird die in der Platte eingeprägte Musikinformation von einem Laserstrahl des neuartigen Plattenspielers ausgelesen. Nach Umformung und Verstärkung wird die Musikinformation in den Lautsprechern der üblichen HiFi-Anlage hörbar.“ Es ist noch jede Menge Überzeugungsarbeit bei den Fachjournalisten zu leisten. Dass es sich auf der CD um digitale Daten handelt, wird eher umständlich am Ende der per Schreibmaschine erstellten Mitteilung kommuniziert: Die Musikinformation werde „in digitaler Form in die Schallplatte eingeschrieben“, ist dort zu lesen: „Derartige digitale Informationen sind wesentlich weniger anfällig gegen Störungen.“ Das allerdings würde heute schon wieder Stirnrunzeln hervorrufen.

Run auf die Philips-Lizenz
Ein wiederkehrendes Sujet in der Philips-Pressearbeit zum Thema CD-Einführung war die Weitergabe der Compact-Disc-Lizenz an Unternehmen der Platten- und Unterhaltungselektronik-Industrie. Im April 1981 ist die Rede davon, dass unter anderen Bang + Olufsen, Dual, Grundig, Studer-Revox, Akai, Matsushita, Nakamichi, Onkyo, Toshiba, Sharp und Sanyo Lizenzen erhalten hätten. Bei der Plattenindustrie sind die mit den beiden Innovationsführern Philips und Sony verbandelten CBS und Polygram zu diesem Zeitpunkt dabei. Im Juli 1982 meldet Philips rechtzeitig zur Messe hifivideo ‘82 weitere Lizenznehmer, darunter Hitachi, Mitsubishi, Teac, Kenwood und die Plattenfirma EMI. Die Lizenzierungen bedeuten für Philips und Sony nicht nur, dass nun kein Platz mehr für Konkurrenzsysteme im Markt bleibt; zugleich stellen viele Lizenznehmer sicher, dass CDs und CD-Spieler keine einsamen Exoten in den Ladenregalen bleiben. Das garantiert das Vertrauen der Konsumenten in die Industrie.Die ersten CDs und Abspielgeräte wurden in Deutschland im März 1983 verkauft. Hauptentwickler Philips ist im Gegensatz zu Sony und den meisten Lizenznehmern mit eher spartanischen CD-Spielern am Start – die Geräte CD 100, 200 und 300 zeigten nicht einmal die Spielzeiten der einzelnen Stücke an. Dafür kosten sie anfangs noch rund 2.000 Mark, damals in etwa das Monatsgehalt eines Facharbeiters. Die Philips-Kommunikation lobt das neue Produkt zum Verkaufsstart: Nicht nur, dass „die einmal erreichte Qualität der Musikaufzeichnung lebenslang erhalten“ bleibe. Nein, „die Bedienung der Geräte ist kinderleicht: Man kann sie auch wirklich Kindern übertragen, denn einen teuren Abtast-Diamanten gibt es ja nicht mehr.“
 

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