Viele Unternehmen bezeichnen gesellschaftliche Verantwortung als selbstverständlichen Bestandteil ihres Handelns. Doch Gutes tun und darüber reden, ist gar nicht so einfach. Von Geraldine Friedrich.
PR-Beraterin Luise Pfifferling versteht die Welt nicht mehr. Im Auftrag eines Armaturenherstellers hat sie eine Pressemitteilung über deren Projekt „Selbstverteidigung – ja bitte“ an die Medien versandt. Junge Mädchen und Frauen, insbesondere aus sozial schwachen Familien, sollen sich mittels Kampfsport besser gegen Übergriffe wehren können und selbstbewusster werden. Die Resonanz ist gut, Redaktionen rufen an, wollen die Geschichte bringen. Kurz vor dem Auflegen fragt Pfifferling Lokalredakteurin Anna Mahler, ob es denn möglich sei, den Armaturenhersteller als Sponsor zu nennen? Schließlich habe das Unternehmen das Projekt mit 10.000 Euro unterstützt. Redakteurin Mahler zuckt zusammen, die 32-jährige Journalistin fühlt sich schlagartig unbehaglich. Ergebnis der Medienresonanz: Von insgesamt zehn interessierten Redaktionen bringen gerade mal zwei eine kurze Meldung. Ein Redakteur schreibt einen zynisch angehauchten Bericht darüber, dass der Armaturenhersteller jetzt wohl mit „Kampfsportmethoden“ sein Image verbessern wolle.Gefühl der Instrumentalisierung„In dem Moment, in dem der PR-Verantwortliche den Redakteur fragt, ob er den Sponsor erwähnt, können Sie alles, was Sie vorher mühsam aufgebaut haben, in die Tonne treten,“ bestätigt Thorsten Hofmann, Geschäftsführer von PRGS, einer Berliner Unternehmensberatung, die sich auf Krisenkommunikation und Public Affairs spezialisiert hat. Denn es wird nur allzu deutlich, dass es weniger um die gute Sache geht, als darum, das Unternehmen positiv darzustellen. Der Journalist fühlt sich instrumentalisiert und unter Druck gesetzt.Für Hofmann ist daher klar: Wenn ein Unternehmen ein Projekt unterstützt, sollte der Firmenname nicht im Vordergrund stehen, da sonst schnell der Eindruck entstehe, das Unternehmen meine es mit seinem Engagement nicht ernst. Wenn Journalisten ein soziales Engagement zufällig entdecken und darüber berichten wollen – schön und gut. Nur steuern lässt sich so etwas nicht. Hofmann: „Ich warne ausdrücklich davor, so etwas bewusst planen zu wollen. Das geht nach hinten los.“Unternehmen gewinnen durch ihr Engagement also nur, wenn die Adressaten das Tun des Absenders ernst nehmen und ihm seine gute Absicht glauben. Damit liegt aber schon auf der Hand, dass sich CSR nicht nur auf gesponserte Nettigkeiten wie Fußballturniere und Krötenwanderungen beschränken darf, sondern CSR als strategisches Werkzeug alle Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens auf den Prüfstand stellen muss. Oder wie Thorsten Düß, Seniorberater bei Weber Shandwick Deutschland, es ausdrückt: „Man kann nicht in Deutschland Kindergärten sponsern und gleichzeitig seine Produkte von Kindern in armen Ländern fertigen lassen.“Allerdings sei der Begriff „Corporate Social Responsibility“ immer noch „relativ schlecht definiert“ und daher missverständlich. „Es ist falsch, ‚Social’ in diesem Fall mit ‚sozial’ zu übersetzen“, bemängelt Düß, schließlich umfasse CSR auch Ökologie, Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, also die Ökonomie, er spreche daher lieber lediglich von Corporate Responsibility (CR) oder gesellschaftlicher Verantwortung.Furcht vor Bittsteller-LawineEin Beleg dafür, dass gesellschaftliche Verantwortung von Konzernen weit mehr als soziale Projekte umfasst, ist das „Good Company Ranking“, welches das „Manager Magazin“ zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte Consult und der auf Kapitalmarkt und CSR spezialisierten Unternehmensberatung Kirchhoff Consult alle zwei Jahre herausgibt. Die Gesamtpunktzahl ergibt sich nicht nur aus Umwelt- und Gesellschaftsengagement, sondern Mitarbeiterführung und Profitabilität des Unternehmens zählen mit. Auch Ulf Bauer, Leiter Unternehmenskommunikation, Industriepolitik und Öffentlichkeitsarbeit bei British American Tobacco in Hamburg, definiert den Begriff umfassend: „Wir sehen CSR nicht als PR-Werkzeug, sondern betrachten es als die Art und Weise, wie wir unser Geld verdienen, und erst im zweiten Schritt, wie wir es für gesellschaftliche Projekte ausgeben.“Der Teil des Geldausgebens ist allerdings oftmals der Teil, mit dem sich Firmenvertreter in der Öffentlichkeit präsentieren – oder auch nicht. Die Angst davor, dass sich eine gut gemeinte Tat als PR-Gau entwickelt, hält Hofmann für durchaus berechtigt. „Früher hat man sehr simpel gedacht: Ich tue etwas Gutes, und das zahlt auf meine Marke ein. Von dem Gedanken muss man sich heute verabschieden“, erklärt Hofmann, vor allem, da kaum ein Außenstehender annehme, dass ein Unternehmen etwas „ohne wirtschaftlichen Grund tut“. Der Krisenexperte nennt zwei konkrete Gründe, die Unternehmen von Engagements in Sport, Kultur oder Gesundheit abhalten. Zum einen befürchten Konzernchefs nach einem erfolgreichen Projekt eine Lawine von Bittstellern. Hier besteht die Angst, dass abgewiesene Anfragen sich für das Unternehmen zu einem Bumerang entwickeln. Viele Firmenchefs entscheiden sich aber auch gegen ein Engagement, weil die denkbaren Optionen den Kosten-Nutzen-Überlegungen nicht standhalten. „Die Firmenchefs befürchten, dass sie viel Geld und Zeit investieren, aber mit ihrer Maßnahme nicht die positive öffentliche Resonanz finden.“ Damit bestätigt Hofmann die These, dass einige Unternehmen solche Projekte aus wirtschaftlichen Motiven unternehmen. Für ihn entsteht so ein„Glaubwürdigkeitsdilemma“, welches oftmals darin endet, dass sich ein Unternehmen für die bequemste Variante entscheidet – nämlich nichts.BAT: Bogen um Jugend und Sport„Natürlich darf man bei dem Wunsch, als Sponsor in der Öffentlichkeit oder in den Medien präsent zu sein, nicht platt vorgehen“, meint BAT-Sprecher Bauer. Gerade als Zigarettenproduzent bewegt sich ein Unternehmen gesellschaftspolitisch auf einem Minenfeld. Trotzdem erhofft sich BAT von Sponsoring und Mäzenatentum in Kunst und Kultur einen positiven Imageeffekt. Das Unternehmen fördert seit fast drei Jahrzehnten die Stiftung für Zukunftsfragen (früher unter dem Namen BAT Freizeitforschungsinstitut bekannt) und unterstützt Aktionen wie die „Lange Nacht der Museen“ in Hamburg. Um Engagements in Jugend, Sport und Gesundheit macht das Unternehmen allerdings einen großen Bogen. „Wir sind zu Recht eingeschränkt, denn wir können uns nicht einerseits verpflichten, Kinder und Jugendliche von der Tabakwerbung auszunehmen und andererseits die Tokio-Hotel-Tour sponsern. Der Nachteil ist, dass dann nicht mehr so viel übrig bleibt“, konstatiert Bauer. Kunst, Kultur und die Beschäftigung mit Zukunftsfragen, all das hat wenig mit dem Kerngeschäft von BAT zu tun. Das Vorgehen widerspricht damit einer häufig geäußerten Forderung, dass ein glaubwürdiges gesellschaftliches Engagement „unabdingbar mit den Kernkompetenzen und dem Business des Unternehmens“ verbunden sein muss, wie es Thomas Stach von Stach’s Kommunikation & Management in Frankfurt formuliert. Der Agenturchef beschäftigte sich in einer im Dezember 2005 veröffentlichten Untersuchung ausführlich mit dem Thema CSR. Seine Kritik: Die Unternehmen würden zwar viel Geld ausgeben, investierten aber wenig zielgerichtet. Die sozialen Projekte und deren Kommunikation seien austauschbar und nicht „glaubwürdig mit dem Unternehmen verwoben“.Passend zum KerngeschäftAuch für Berater Düß sollte das gesellschaftliche Engagement im Zusammenhang mit dem Kerngeschäft stehen. „Wichtig ist, dass CR-Maßnahmen zum Unternehmen beziehungsweise dem Produkt passen“, erklärt der 35-Jährige. Für viele Unternehmen mag das funktionieren. So unterstützt beispielsweise der Arzneimittelgroßhändler und Apothekenbetreiber Celesio (unter anderem Doc Morris) die Hilfsorganisation „Ärzte für die Dritte Welt“, McDonald’s will künftig das Klima schützen und ihren Fuhrpark mit gebrauchtem Fritten-Öl befeuern, der Reiseveranstalter Travel-to-Nature beabsichtigt aus dem selben Grund, sich an einem CO2-Kompensationsprojekt zu beteiligen. Schließlich können Urlauber schlecht nach Costa Rica mit dem Boot paddeln, sondern müssen fliegen.Aus „Böse“ wird nicht „Gut“Es ist aber ein großer Unterschied, ob das Kerngeschäft des Unternehmens im Verkaufen von Medikamenten, dem Veranstalten von nachhaltigen Entdeckerreisen oder in der Produktion von Zigaretten liegt. „Die Deutsche Krebshilfe liegt nicht völlig weit weg von dem was wir tun, es gab auch dies Überlegungen, aber für ein Engagement in diesem Bereich sind wir ein denkbar schlechter Absender“, bringt es Bauer auf den Punkt. Schließlich stelle das Unternehmen ein Produkt her, das mit „gesundheitlichen Risiken“ verbunden sei, das passe nicht zusammen.Das Ergebnis wäre vorhersehbar: Eine in hohem Maße zynische und kritische Berichterstattung. „Außerdem wollen die das gar nicht“, ergänzt Bauer. Lässt sich daraus schließen: Je kritischer das Umfeld ist, in dem sich ein Unternehmen bewegt, desto weniger kann das soziale Tun auf die Marke einzahlen? Für Stach muss daraus kein Widerspruch entstehen. „Ein Tabakproduzent kann sich beispielsweise verstärkt auch um die fairen Anbaubedingungen der Tabakbauern kümmern“, meint der Frankfurter.Die wirklich interessante CSR findet oftmals hinter den Kulissen statt. Seit 2001 führt BAT Gesprächsrunden mit den „schärfsten Kritikern“ der Tabakbranche. Diese „Dialogveranstaltungen“, wie Bauer sie nennt, finden etwa zwei- bis viermal pro Jahr statt. Zu den Teilnehmern gehören unter anderem Politiker aller Couleur, Antitabakinitiativen, Gastronomen, Jugendorganisationen, Ärzte, Lehrer, die Werbewirtschaft und die Zollfahndung. Viele der Eingeladenen tun sich schwer damit, am Runden Tisch Platz zu nehmen, hat der BAT-Kommunikationschef erfahren müssen. Daher sei Voraussetzung für das Gelingen, dass weder Inhalte noch Teilnehmer an die Öffentlichkeit dringen. Bauer: „Viele würden nicht kommen, wenn sie wissen, dass dies bekannt würde.“ Ziel dieser Veranstaltungen sei zu diskutieren, was die Tabakindustrie „besser machen“ könne, zum Beispiel in Fragen des Jugendschutzes. Das setzt laut Bauer allerdings ein konstruktives Miteinander voraus.Das Problem: Für die schärfsten Kritiker der Branche besteht das Ziel letztendlich darin, dass BAT sich irgendwann entweder selbst stilllegt oder seinen Unternehmenszweck ändert. „Es besteht noch nicht einmal darüber Konsens, dass das Geschäftsmodell von BAT nicht in Frage gestellt wird“, bestätigt Bauer. Das führe auch dazu, dass einzelne Gesprächspartner nicht wieder eingeladen werden. „Polemisieren bringt niemanden weiter, dafür ist die Zeit zu schade“, erklärt der Vertreter der Tabakindustrie.Achtung, Fehlersucher!Gesellschaftliche Verantwortung und Krisenkommunikation liegen also nah beieinander, vor allem wenn man bedenkt, wie schnell etwas gut Gemeintes ins Negative kippen kann. „Sie müssen als Unternehmer stets einkalkulieren: Wenn Sie eine gute Tat nach außen verkünden, sitzen da nicht nur Leute, die ihnen wohl gesonnen sind, sondern es gibt auch immer strategische Fehlersucher, die nur darauf warten, einen Widerspruch zu finden“, erklärt Hofmann von PRGS. Zu diesen „Fehlersuchern“ gehören natürlich Journalisten, aber auch Nichtregierungsorganisationen, konkurrierende Verbände und Unternehmen. „Wenn ein Journalist bei so einer Geschichte ein schlechtes Bauchgefühl bekommt, sagt der schnell, da mache ich jetzt aber mal eine Bad-News-Story draus, das ist sowieso interessanter“, erklärt Hofmann.Ein Bilderbuchbeispiel für Negativberichterstattung ist die „Aufbruch Tour“ von Philipp Daniel Merckle, Chef und Eigentümer der Ratiopharm-Gruppe. Im Jahr 2005 wurde der Pharmakonzern beschuldigt, Ärzten systematisch Geld dafür zu bezahlen, dass sie Ratiopharm-Produkte bevorzugt verschreiben. Im Dezember 2005 stellte die Staatsanwaltschaft Ulm die Ermittlungen wegen Verdachts der Untreue und des Betruges aus Rechtsgründen ein. Im April 2006 ordnete die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart erneut Ermittlungen gegen Ratiopharm an. Schon während dieser turbulenten Zeiten gründete der 40-jährige Merckle die Stiftung „World in Balance“. Um seine Wohltaten an die Öffentlichkeit zu bringen, begab sich Merckle erst im Mai und Juni auf Tournee, in sieben deutschen Großstädten präsentierte er sich und sein CSR-Projekt persönlich – stets auf einem Schiff. Beobachter verglichen die Aktion prompt mit einer „billigen Butterfahrt“.Der Versuch, das Projekt bei der Presse zu promoten, ging daneben. Zwar stieg die Medienresonanz im Mai 2007 mit der medienwirksamen Bekanntgabe der „Aufbruch-Tour“. Doch durch fast alle Artikel zog sich ein ironischer bis zynischer Unterton. Das „Handelsblatt“ vergleicht die Aktion in Anlehnung an den Papstbesuch mit dem „Weltjugendtag“ und bezeichnet Merckle als „Traumtänzer“. „Spiegel Online“ beschreibt den Unternehmer als schwäbischen Naiven, der mit einer „seltsamen Mischung aus Esoterik und Weltverbesserungswillen durch die Republik“ ziehe und die Kampagne als Mittel zum Zweck nutze, die negativen Schlagzeilen der Vergangenheit vergessen zu machen. Hofmann: „Die Maßnahme an sich ist gut, nur war es ein denkbar schlechter Zeitpunkt, dieses Projekt zu starten.“ Einer der ätzenden Medienberichte zitiert einen Gast der Aufbruch-Tour mit den Worten: „Sie wollen die Welt retten? Da gibt’s doch sicher was von Ratiopharm!"
Wie CSR glaubwürdig wirkt
CSR heißt nicht nur Sponsoring oder Mäzenatentum, sondern auch die Überprüfung aller Geschäftsprozesse auf deren gesellschaftliche Verträglichkeit. Besonders hier müssen Unternehmen Widersprüche vermeiden.
Bei sozialem Engagement bietet es sich an, einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem unternehmerischen Kerngeschäft und dem Projekt herzustellen.
Lieber weniger machen als zu viel, lieber langfristig dasselbe Projekt unterstützen, als dauernd wechseln – nur so entsteht möglicherweise ein positiver Imageeffekt. Dieser sollte aber nicht im Vordergrund stehen. In der Öffentlichkeit kommt es besser an, wenn die Unternehmenskommunikation keine unmittelbaren taktischen Ziele, wie die Zahl der Clippings, mit dem gesellschaftlichen Engagement verbindet.
Es gibt Metathemen, bei denen ein Unternehmen mit seinem Engagement nicht allein steht und Gefahr läuft, verwechselt oder nicht wahrgenommen zu werden. Bis vor kurzem stand Bildung hoch im Kurs, aktuell wird Klimaschutz von vielen Unternehmen gern als Umfeld genutzt, um sich als „Good Corporate Citizen“ zu profilieren.