"Auf einen Behörden-Account einzudreschen, ist einfach"
Über die Relevanz von Behördenkommunikation sprach Pascal Ziehm, Referent für Online-Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Sächsischen Innenministerium, mit den Leipziger Public Relations Studenten des LPRS e.V.. Im Mittelpunkt: das vielfältige Aufgabenfeld eines Behördenkommunikators.
Nicht Pflicht, sondern Kür – was ist für Sie das Spannendste an der Behördenkommunikation?
Das ist für mich zunächst einmal, dass man Themen hat, die alle Bürger betreffen. Es wird ja kein Produkt verkauft und ein Ministerium hat in diesem Sinne auch keinen Selbstzweck. Vielmehr erfüllt es als oberste Behörde des Staates eine politische und Verwaltungsaufgabe. Das bedeutet gerade für die Kommunikation, dass gewisse Standards eingehalten werden müssen. Denn wir gelten als privilegierte Quelle. Daher müssen sich Journalisten, die ansonsten immer den Double- oder im besten Fall den Triple-Check durchführen müssen, um Fakten zu verifizieren, sich darauf verlassen können, dass unsere Informationen wahr sind. Das ist eine sehr spannende Aufgabe, vor allem wenn man überlegt, wie breit gefächert unser Themenfeld ist und wie schnell wir auf Informationen antworten müssen. Wir brauchen allerdings bestimmte Zeiten, um verlässliche Informationen gewährleisten zu können.
Wie klappt das denn online?
Dies betrifft vor allem jemanden wie mich in der Online-Kommunikation, der Tweets nicht 48 Stunden liegen lassen kann. Aber auch dort muss man ehrlich sein und sagen: Wir versuchen die Informationen zu beschaffen, aber es dauert einfach ein bisschen länger, da viele Sachverhalte erst in den Abteilungen bei unseren Fachleuten nachfragen müssen. Korrektheit geht klar vor Schnelligkeit.
Welches ist Ihr "Lieblings-Soziales Medium" für die Behördenkommunikation und warum?
Twitter ist schon das Medium, welches mich am meisten reizt - und zwar im Positiven wie im Negativen. Mein persönlicher Lieblings-Kanal ist jedoch Instagram, da man dort die alte Weisheit „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ relativ gut ausleben kann. Außerdem wird nicht gepöbelt und es findet eine sehr angenehme Kommunikation statt. Ich nenne Instagram daher auch den "Flausch-Kanal", da die Reaktionen auf ein Bild in der Regel positiv sind. Auf Facebook und Twitter geht es deutlich heißer zur Sache. Das kann mitunter aber auch sehr problematisch sein, vor allem für den Kommunikator selbst. Wir sind alles Menschen und es agieren Menschen miteinander. Für viele ist es jedoch sehr einfach, auf einen Behörden-Account einzudreschen und dabei zu vergessen, dass am anderen Ende auch ein Mensch sitzt.
Ob Oktoberfest, Brexit oder Witze über missglückte Einbruchsversuche und betrunkene Teenager - viele Behörden posten und twittern humorvoll. Wie lustig darf Behördenkommunikation Ihrer Meinung nach sein und wann geht es zu weit?
Ich weiß nicht, ob es immer zwanghaft lustig sein muss. Manchmal geht es auch um emotionale Worte der Betroffenheit. Immer wenn etwas passiert und wir Beileidsbekundungen abgeben müssen, zum Beispiel bei Vorfällen im Ausland oder wenn eigene Staatsbürger zu Schaden kommen, ist es immer wieder eine besondere Herausforderung, angemessene und würdevolle Worte zu finden. Was ich damit sagen will ist, dass man in gewissem Maße auch Gefühle zeigen darf. Das kann mal die Trauer, aber auch das Augenzwinkern oder das Lustige sein. Wichtig ist es, in der passenden Situation die richtigen Worte zu finden. Letztendlich muss man stets versuchen, sich in den Gegenüber zu versetzen. Das, was ich als extrem lustig und ironisch gemeint habe, kann dort gänzlich gegensätzlich ankommen. Und das muss man in der Behördenkommunikation abschätzen können.
Was war für Sie die schwierigste Situation in Ihrer Tätigkeit als Referent für Online-Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit beim Sächsischen Staatsministerium des Inneren?
Das war das Busunglück von Münchberg, als sich nachts ein Angehöriger über Facebook an uns wandte und äußerte, dass er noch nichts über den Verbleib seiner Eltern wisse. Das macht natürlich betroffen. In der Situation war es mir sehr wichtig, sofort zu reagieren, auch wenn ich nicht gleich eine vollständige Antwort geben konnte. Derartige Informationen zu geben obliegt generell der Polizei. Aber zunächst einmal die Kommunikation anzunehmen und ihm zu sagen, dass jemand da ist, der so weit wie möglich weiterhilft, das war mir wichtig.
Was sind weitere Herausforderungen aus dem kommunikativen Alltag einer Behörde, die sich von der Unternehmenskommunikation im klassischen Sinne unterscheiden?
Ein Unterschied ist, dass man an keinem Tag wirklich weiß, was passieren kann. Dazu zählen Polizeieinsätze, Katastrophen und Unglücksfälle, bei denen man auf einmal mitten drin ist und – im Speziellen auf den verschiedenen Kanälen – funktionieren muss. Darauf kann man sich nur bedingt vorbereiten. Aber da hilft es sehr, ein gutes Team zu haben, in dem alle über eine Menge Erfahrung verfügen. Das fordert extrem heraus, manchmal eben auch zu allen Tages- und Nachtzeiten. Entgegen der Klischeevorstellung, dass der Arbeitstag in der Behördenkommunikation um sieben Uhr morgens beginnt und um 16 Uhr endet, kann es in der Pressestelle sehr unregelmäßige Arbeitszeiten geben und auch mal länger gehen. Und die Kanäle behält man auch nach Feierabend stets im Blick.
Welche Fähigkeiten sollten Absolventen mitbringen, die in der Behördenkommunikation arbeiten möchten?
Ich halte es für wichtig, sich schon im Studium mit Kanälen und deren Funktionsweise zu beschäftigen und gern auch ein Gefühl dafür zu entwickeln. Ich empfehle keinem Social Media zu machen, den das privat schon nicht sonderlich reizt. Man sollte einfach offen sein und auch mal über den Tellerrand gucken, ob es beispielsweise etwas in Unternehmen gibt, was man auch für die Behördenkommunikation einsetzen kann. Darüber hinaus braucht man ein Gefühl dafür, was Nachrichtenwerte sind und wie Online-Kommunikation funktioniert. Man benötigt außerdem ein gutes Bauchgefühl, um bestimmte Phänomene erklärbar zu machen und nicht in einen Hype zu verfallen. Denn es kann im behördlichen Bereich schnell passieren, dass der ein oder anderen auf einmal in eine gewisse Panik verfällt. Man sollte hingegen auch nicht das Gegenteil tun und sagen, ich bin nicht auf Twitter und was da und in anderen sozialen Medien geschrieben wird, interessiert mich nicht.
Interview: Alisa Miller (Master Communication Management)