Arbeitgeber sind bei der Stellenbesetzung manchmal sehr dogmatisch. Ob sie sich das noch lange leisten können? Wer es übertreibt, findet gar keine Mitarbeiter mehr, sagt der Personalberater Philip Müller (Foto). Er plädiert für mehr Pragmatismus.
Der folgende, leicht abgewandelte Dialog stammt aus der Besprechung eines Kandidatenprofils für die Besetzung einer Kommunikationsstelle in einem mittelgroßen Unternehmen:
Personalentscheider: „Der Kandidat ist richtig gut. Wir stellen ihn aber nicht ein.“
Personalberater: „Wir fanden ihn auch sehr überzeugend. Was spricht denn gegen ihn?“
Personalentscheider: „Die Abinote ist zu schlecht.“
Der Austausch ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen, weil es um eine Führungsposition ging, für die rund acht Jahre Berufserfahrung gefordert waren, welche der Kandidat auch mitbrachte. In dieser Zeit hatte er bei zwei renommierten Arbeitgebern einen sehr guten Job gemacht, wie seine Arbeitszeugnisse belegten. Das Studium hatte der Kandidat mit einer Eins vor dem Komma abgeschlossen. Nur im Abitur hatte er eben leider „nicht überzeugt“. Da hatte er – und das ist das zweite Kuriosum – die Durchschnittsnote 2,1 erzielt.
Der Ausschluss eines geeigneten Kandidaten aufgrund einer 13 Jahre zurückliegenden und laut offizieller Lesart „guten“ Leistung ist ein besonders plakativer Fall. Wir haben es aber häufiger mit Personalentscheidern zu tun, die von einem fixen Stellenprofil nicht abweichen möchten oder können. Sie halten eisern an Eckdaten und Kompetenzen fest, die für eine erfolgreiche Ausübung des Jobs nicht zentral sind: Mal darf es kein einziger Monat einschlägiger Berufserfahrung zu wenig sein oder es müssen mindestens drei große Arbeitgebernamen im Lebenslauf stehen.
Angesichts des gerade erst so richtig einsetzenden Fachkräftemangels ist dieser Dogmatismus gefährlich. Wer es übertreibt, findet am Ende gar keine Mitarbeiter mehr. Ich will damit nicht sagen, dass Arbeitgeber in wichtigen Punkten Abstriche machen müssen. Ich möchte sie vielmehr dazu ermutigen, dass sie dort, wo es für sie machbar und sinnvoll ist, auch mal pragmatisch sind.
Ein Fall aus unserem Vermittlungsalltag: Wir sollten in einer Agentur zwei Seniorberater-Stellen besetzen. Die Platzierungen verliefen schnell und reibungslos – auch, weil die Agenturführung bereit war, sich auf ein für sie ungewohntes Modell einzulassen: Einer der Kandidaten war sehr erfahren, konnte aus familiären Gründen aber nur mit 30 Stunden in der Woche einsteigen. Der andere hatte auf dem Papier zu wenig einschlägige PR-Erfahrung, in vorigen Jobs aber schon viel Verantwortung übernommen.
Der Agenturchef hat beide Kandidaten in Kombination eingestellt – und ist sehr zufrieden mit dem Zusammenspiel. Die Vakanzen waren übrigens innerhalb von vier Wochen besetzt. Zuvor hatte der Arbeitgeber selbst nach Mr. oder Mrs. Perfect gesucht. Dauer der Suche: ein Jahr. Eingestellte Kandidaten, die die Probezeit überstanden: null.
Philip Müller ist Geschäftsführer der PRCC Personal- und Unternehmensberatung in Düsseldorf. In seiner Kolumne in der Print-Ausgabe des PR Reports schreibt er regelmäßig über seine Erlebnisse mit Bewerbern und Arbeitgebern.
Tipp: Am 16. November, am Tag der Verleihung der PR Report Awards, bringt der PR Report in Berlin Young Professionals, Berufseinsteiger und Studenten mit potenziellen Arbeitgebern zusammen. Unser Karriereforum steht unter dem Motto „Was mit PR? Dann aber gleich richtig!"
Mit dabei sind Hill+Knowlton, Volkswagen, Deutsche Bank, Bayer, fischerAppelt, Vodafone, der Bankenverband, das PRCC, Bertelsmann und CB.e.
Auch sonst gibt es an diesem Tag ein abwechslungsreiches Tagesprogramm:
25 Top Cases: Das leisten Deutschlands PR-Profis: Eine Auswahl der besten Projekte des Jahres – präsentiert von ihren Machern. Neu: Der Publikumspreis. Die Teilnehmer werden zu Juroren und geben ihre Stimme einem der präsentierenden Finalisten. Der Sieger nimmt am Abend den ersten PR Report Award in der Kategorie Publikumspreis mit nach Hause.
PR Report Influencer Camp: Schöne neue Kommunikationswelt – aber wie nutzen sie PR-Profis erfolgreich? Erfolgreiche Blogger, Instagramer und Content Creators zeigen in Workshops, wie es geht.
#30u30 Finale: So kreativ sind Deutschlands PR-Talente 2017: Die #30u30-Crew tritt in Zweierteams im Finale des diesjährigen Wettbewerbs gegeneinander an und kämpft mit Kampagnen für vier Start-ups um die Trophäen für die PR Report Awards in der Kategorie Young Professional des Jahres.