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Wie Sie gute Reden schreiben, zeigt Ihnen die "PR-Werkstatt".
16.06.2017   News
Warum ein Redenschreiber keine beleidigte Leberwurst sein darf
 

Warum gute Redenschreiber auch gute Berater sein müssen, beschreibt der renomierte Experte Markus Franz. Er leitete das Redenschreiberteam des Ex-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und der früheren SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Seit 16 Jahren trainiert er Journalisten, Pressesprecher und Politiker im kreativen Schreiben.


Ich schreibe Reden am liebsten für mich selbst. Weil ich mich dann etwas trauen kann. Weil ich weiß, dass meine Art mit dem Geschriebenen im Einklang steht. Weil ich weiß, dass niemand meine schöne Rede verbockt. Mir macht es halt Spaß zu reden.


Okay, Sie wissen das. Aber wissen das auch diejenigen, für die Sie Reden schreiben? Bloß keinen Fehler machen, das scheint für viele Redner das höchste Ziel zu sein. Sie wollen trotzdem für jemanden Reden schreiben? Dann stellen Sie sich möglichst gut darauf ein. Und zwar noch bevor Sie die erste Rede schreiben, besser noch: Bevor Sie den Job annehmen.
Fragen Sie Ihre Redner:
Wie wollen Sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden?Wofür stehen Sie?Was treibt Sie an?Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?
Wenn sich Ihre Redner solche Fragen nicht schon selbst gestellt haben, wird es höchste Zeit. Dann können sie Ihnen allein für die Fragen dankbar sein. Von den Antworten hängt ab, wie Sie Reden schreiben.
Fragen Sie Ihre Redner außerdem:
Was sind Ihre Stärken?Was sind Ihre Schwächen?Wie wollen Sie mit diesen Schwächen umgehen? Sind Sie selbstkritisch?Mögen Sie Selbstironie?Wie differenziert sind Sie?Wollen Sie auf Gegenargumente eingehen?Wie halten Sie es mit Haudrauf gegenüber Konkurrenten?Wie persönlich wollen Sie sich geben?Wie emotional wollen Sie sein?Kommt Pathos für Sie in Frage?Wie wichtig sind Ihnen Zahlen und Fakten?Wie wichtig ist Ihnen Humor?
Und fragen Sie Ihre Redner:
Wie komme ich zur Vorbereitung der Rede an Sie heran?Kann ich Sie, wenn nötig, persönlich sprechen?
Eigentlich selbstverständlich - oder? Sie können keine Gedanken lesen. Also müssen Sie miteinander reden. Für manche Reden ist es zwingend, dass Sie vorher mit dem Redner sprechen. Etwa für eine Laudatio. Sie müssen wissen, wie gut Ihr Redner den zu Ehrenden kannte und was er aus eigenem Erleben von ihm zu erzählen hat. Auch für alle anderen Reden ist es immer gut zu wissen, ob der Redner selbst etwas zu sagen hat. Könnte ja sein, dass er zu Recht der Redner ist und Sie nur der Redenschreiber.
Hören Sie sich Reden Ihrer Redner vor Ort an:
Fahren Sie am besten mit Ihren Rednern zusammen hin und zurück. Beobachten Sie nicht nur Ihren Redner, sondern auch das Publikum. Machen Sie Notizen. Dann können Sie hinterher Ihrem Redner sagen, was gut ankam, was nicht. So werden Sie gemeinsam besser werden.
Klären Sie, dass und wie Sie Feedback erhalten:
Bitten Sie Ihre Redner, Ihnen Ihre Entwürfe kommentiert zurückzugeben. Passagen, die Sie blöd finden, sollen Sie streichen und möglichst mit einem Kommentar versehen. Passagen, die Sie gut finden, mit einem Häkchen versehen. Weitere Anmerkungen sind willkommen.
Klären Sie, dass Sie Ihren Rednern nicht nur gute Reden schreiben, sondern sie zu besseren Rednern machen wollen:
Ich habe Peer Steinbrück regelmäßig kritische Briefe geschrieben. Darin stand: Fass Dir beim Reden nicht mit den Fingern an den Kopf, als wenn Du Dir einen Vogel zeigen würdest. Oder: Vergiss die Pointe nicht. Oder: Verdeutliche das an einem Beispiel. Oder: Kürzere Sätze. Oder: Nicht passiv, sondern aktiv. Alles mit Beispielen unterlegt. Einmal bat mich Steinbrück: "Schreibe Deine sechs wichtigsten Kritikpunkte kursiv vor jede Rede. Wenn du das Gefühl hast, ich habe einen Punkt beherzigt, streiche ihn weg." So haben wir's gemacht. Irgendwann war das Kursive weg.
Klären Sie, dass die Redevorbereitung in Stichworten Mist ist:
Der Redenschreiber enthebt sich der Verantwortung, ob die Rede wirklich gelingen kann. Stichworte leisten schon gar nicht, was eine gute Rede leisten soll: Emotionen auslösen. Reden sind mehr als Fakten. Reden sind Erlebnisse.
Bringen Sie Ihre Redner dazu, Ihre Rede zu üben:
Wer kann schon die Rede eines Fremden gut vortragen, der Sie ja meistens sind? Der Redner sollte die Rede zumindest einmal laut lesen. Ja, laut. Am besten im Stehen. Also nicht auf dem Weg zum Veranstaltungsort in Auto, Bahn, Flugzeug oder zu Pferde.
Bringen Sie Ihre Redner dazu, Ihre Rede frei zu halten:

Der Unterschied zwischen frei reden und vom Manuskript ablesen ist so wie beim romantischen Abendessen das Essen anzuschmachten statt das Gegenüber.


Seien Sie keine beleidigte Leberwurst, wenn Ihre Redner Ihre Rede nicht halten:


Klar, das schreibt sich so leicht. Ich weiß selbst, dass man aufschreien möchte, wenn sie es nicht tun. Aber Sie sind nur der Redenschreiber. Wenn Sie nicht nur der Redenschreiber sein wollen, dann müssen Sie selbst Redner werden.


 


Tipp: Dieser Text ist ein Auszug aus der PR-Werkstatt "Die Kunst der guten Rede" von Markus Franz. 


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Bislang in der Reihe erschienen:


Der Newsroom: Wie sich Themen über die Schaltzentrale der Unternehmenskommunikation effizient steuern lassen.Wirksam schreiben für das Web: Am Bildschirm lesen Menschen anders als auf Papier. Was das für das Schreiben von Onlinetexten bedeutet.Das 1x1 des PR-Fotos: Wie Sie mit professionellen Bildern überzeugen.Blogger Relations: Wann Sie auf Blogger setzen sollten und wie Sie mit ihnen fruchtbare Beziehungen aufbauen.Das A und O der Pressemitteilung: Wie man gute Pressemitteilungen schreibt und wie man sie richtig einsetzt.Die Kunst der guten Rede: Wie gute Reden entstehen.Social Media: Ein Leitfaden für Unternehmen.Kundenzeitschriften: Informieren, berühren, überraschenContent-Strategie: Kommunikationsplanung in der vernetzten Medienwelt
 

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