Gutes vom ...
Nach dem Ende der CMA ist zwar eine neue Organisation zur Exportförderung in Sicht. Aber für das inländische Marketing ist jeder auf sich gestellt. Von Peer Brockhöfer
In der Bonner Adenauerallee 174, gegenüber dem Park zur Villa Hammerschmidt und dem Palais Schaumburg, hat die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Rinderzüchter ihren Sitz. Seit August des vergangenen Jahres hat dort aber noch eine andere Institution ihre Hauptgeschäftsstelle – erstmal zur Untermiete, wie der c/o-Vermerk in der Adresse andeutet: die GEFA. GEFA steht für „German Export Association for Food and Agriproducts“ und gilt als so etwas wie der Nachfolger der CMA.
Die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft wurde Mitte 2009 abgewickelt, weil das Bundesverfassungsgericht das Absatzfondsgesetz für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar hielt (PRR 03/2009). Das Absatzfondsgesetz sorgte dafür, dass sich die CMA finanzieren konnte, denn die Landwirte waren verpflichtet, an die CMA einen Beitrag abzuführen. Der Geflügelbauer Georg Heitlinger aus Eppingen-Rohrbach wollte nicht mehr zahlen und hatte sich in der Sache bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt, wo er letztendlich am 3. Februar 2009 Recht bekam.
Danach war nichts mehr so wie vorher: Die Tage „des deutschen Butterbrots“ sind gezählt, die des „deutschen Eis“ aus dem Kalender gestrichen, „Die Milch macht’s“ gibt’s auch nicht mehr, und die Food-Redakteure der Eltern- und Haushalts-Zeitschriften müssen nun sehen, wo sie die tollen Rezeptideen und Fotos herbekommen, die die CMA über Jahre erfolgreich über ihren Presseservice verbreitet hat. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben, denn zunächst steht die Absatzförderung im Ausland auf der politischen Agenda und nicht das inländische Marketing. Der CMA-Pressesprecher, Michael Wanhoff, hatte seinen Posten nur einen Tag vor der Urteilsverkündung angetreten und steht bis heute als Pressekontakt auf der CMA-Website. Aber seit er im Sommer die ehemalige Pornodarstellerin Michaela Schaffrath („Gina Wild“) heiratete, ist er nicht mehr zu erreichen.
Nachfolge-GerangelDas Vakuum, dass die CMA hinterlassen hat, wollte zunächst der im Mai 2009 gegründete Verein „German Food“ füllen, der in erster Linie die Interessen der Nahrungsmittelindustrie vertrat. Gründungsmitglieder waren die vier Organisationen German Meat, German Sweets, die Export-Union für Milchprodukte und der Verband der Ausfuhrbrauereien, deren Mitglieder mit einem Jahresumsatz von insgesamt 20 Milliarden Euro einen Großteil der deutschen Lebensmittelexporte auf sich vereinen. Der Mittelstand fühlte sich benachteiligt, worauf zwölf kleine und mittlere Unternehmen ihrerseits den Verein „Food made in Germany“ (FmiG) gründeten. Dabei: der Wursthersteller Rügenwalder Mühle und der Saure-Gurken-Fabrikant Hengstenberg, dessen Chef, Steffen Hengstenberg, bei FmiG den Vorsitz übernahm. Die Agrarmarketing-Verbände aus Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern unterstützen den Verein als Fördermitglieder.
Beide Vereine hatten sich zum Ziel gesetzt, den Export voran zu bringen. Doch zwei Organisationen – das empfand man im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) als nicht sehr praktikabel. Außerdem: Wie soll sich die Nahrungsmittel- und Agrarbranche künftig einheitlich auf Auslandsmessen darstellen? Der zuständige Staatssekretär, Gerd Müller, forderte von der Branche, dass es nur einen zentralen Ansprechpartner geben solle.
Der Konkurrenzkampf war damit auch offiziell eröffnet. Aus dem Umfeld von FmiG hieß es, die Branchenverbände hätten German Food nur gegründet, um weiterhin die Fördermittel zu erhalten, die nach dem Wegfall der CMA zur Disposition standen. German Food seinerseits verdächtigte die Marketinggesellschaften der Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, sich über ihre Unterstützung für FmiG dauerhaft neue Aufträge sichern zu wollen. Insgesamt 3,6 Millionen Euro hatte das BMELV 2009 für die Exportförderung zur Verfügung gestellt. Für 2010 wurden 7,4 Millionen beantragt und auch gebilligt, um das Defizit durch das nicht mehr vorhandene Absatzfondsgesetz zu kompensieren.
Kehrtwende im MinisteriumStaatssekretär Müller sympathisierte ursprünglich mit der Vereinigung German Food. Dem Vernehmen nach soll eine ungefragte Vereinnahmung als vermeintlicher German Food-Partner den Staatssekretär aber so verärgert haben, dass er eine Kehrtwende vollzog – zur klaren Bevorzugung von FmiG.
Nach zähem Ringen um die Vorherrschaft in der Agrarexportförderung zog German Food, trotz größeren Rückhalts in Handel und Industrie, gegenüber FmiG den Kürzeren. Grund dafür war auch, dass sich unter Carl-Stephan Schäfer, dem Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR), eine weitere Organisation gebildet hatte: die GEFA. So erklärt sich auch die Untermiete der GEFA bei den Rinderzüchtern in der Bonner Adenauerallee.
Die GEFA kann als Mitglieder unter anderen die Verbände der Pflanzenzüchter und Landtechnikhersteller vermelden und ist so breiter aufgestellt als die beiden vorangegangenen Organisationen. Ebenfalls dabei sind German Meat und German Sweets und weitere Mitglieder von German Food, was zur Folge hatte, dass German Food in der neuen GEFA aufging. Übrig bleiben wiederum zwei Organisationen: GEFA und FmiG.
Zwar begrüßte das BMELV die GEFA-Gründung in der Hoffnung, der Wunsch nach einer einzigen zentralen Organisation möge sich erfüllen. Doch der mittelständisch geprägte Verein FmiG wollte sich nicht so einfach eingliedern lassen wie German Food. Wieder gab es Konkurrenzgerangel, FmiG veröffentlichte auf seiner Internetseite beispielsweise eine Präsentation, in der gegen etwaige „Säulenmodelle“ argumentiert wurde, in denen German Food und FmiG unter einem gemeinsamen Dach der GEFA zusammengeführt werden sollen. Außerdem erschien den Mitstreitern um den Vorsitzenden Hengstenberg die Organisation GEFA und German Food zu groß, zu behäbig, zu verwaltungslastig.
Auf der Anuga vom 10. bis 14. Oktober 2009 in Köln rissen sich die beiden Wettbewerber noch einmal am Riemen. Während der Mitgliederversammlung von FmiG anlässlich der Nahrungsmittelmesse wurde der Beschluss gefasst, in Beitrittsverhandlungen mit der GEFA zu treten. Zuvor hatte die GEFA ihrerseits bekundet, sich offen für die Mittelständler zu zeigen. „Wir werden uns mit der GEFA intensiv auseinandersetzen und gehen in die Koalitionsverhandlungen, um ein vernünftiges Ergebnis für den Mittelstand herauszuholen“, sagte FmiG-Vorstand Gerrit Oltmanns von Turm Sahne gegenüber der Presse. Auf der Grünen Woche zwischen dem 15. und 24. Januar sollten gemeinsame Gespräche stattfinden.
Die Zeit drängtWährend die beiden Agrar-Export-Vereine damit beschäftigt sind, grün miteinander zu werden, dreht sich die Welt weiter. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die traditionellen Märkte nahezu gesättigt sind und neue Exportregionen erschlossen werden müssen. Jeder vierte Euro der deutschen Ernährungswirtschaft wird im Export verdient; die Landmaschinenbauer führen sogar 70 Prozent ihrer Produkte aus. Die Weltwirtschaftskrise hat den Export von Nahrungsmitteln um fast fünf Prozent sinken lassen.
Im BMELV nimmt man die Dinge nun selbst in die Hand. Zusammen mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat man am 11. Dezember im Rahmen eines Informationstages in Berlin ein gemeinsames Export-Förderprogramm vorgestellt, das befristet die Exportförderung aufrecht erhalten soll, bis GEFA und FmiG handlungsfähig sind. Zum Exportbeauftragten ist erneut Staatssekretär Müller berufen worden.
Vor allem will man auf den 30 Auslandsmessen, die zuvor von der CMA betreut wurden, präsent bleiben. Beabsichtigt ist, das Portfolio in diesem Jahr um 14 weitere Messeveranstaltungen zu erweitern. Zu den 16 Agrarreferenten, die weltweit an deutschen Botschaften als Ansprechpartner fungieren, sollen fünf weitere kommen. Des Weiteren sollen verstärkt Unternehmerreisen organisiert und Marktstudien zu möglichen Zielländern erstellt werden. Auch der im vergangenen Jahr erstmals begangene Außenwirtschaftstag soll in diesem Jahr wieder stattfinden. Die Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sollen außerdem verstärkt in die Exportbemühungen anderer Ministerien eingebunden werden, und die Internetseite www.agrarexportfoerderung.de ist dafür da, dass sich Interessierte auch darüber informieren können, was ad hoc in der Post-CMA-Ära angeboten wird. Der DIHK wird beispielsweise aus dem 7,4-Millionen-Topf Mittel bekommen, um sieben ehemalige CMA-Auslandsbüros zu erhalten. Hier sind auch die Außenhandelskammern eingebunden. Bis zur Grünen Woche sollte auch feststehen, wie die ehemaligen CMA-Mitarbeiter bei den Auslandsbüros beschäftigt werden, und welches Programm sie dort durchführen wollen.
Blick in die ZukunftVorausblickend ist das gemeinsame Projekt von BMELV und DIHK bis 2011 angelegt. Erst wenn GEFA und FmiG ihre Koalitionsverhandlungen erfolgreich geführt haben, werden sie die Bedürfnisse der Wirtschaft erfüllen können. Derzeit, so berichtet der einstige Leiter des CMA-Exportmanagements Steffen Reiter, der heute stellvertretender GEFA-Vorsitzender ist, sei man dabei, gemeinsame Auftritte mit dem BMELV auf Messen und Veranstaltungen abzustimmen. Zumindest hat die Suche nach einem eingängigen Claim begonnen. Fest steht, dass die GEFA nicht, wie einst die CMA, Namensgeber für Gütesiegel und ähnliches sein wird. Das BMELV hat dagegen in seinem Auslandsmesseprogramm 2010 bereits festgelegt, dass das „Dach eines gemeinschaftlichen attraktiven und schlagkräftigen Messenauftritts Deutschlands mit moderner und ansprechender Gestaltung der Bundesregierung unter dem Signet ,Made In Germany‘“ stattfinden werde.
Ob es jemals wieder ein Agrarmarketing geben wird, dass den deutschen Bürgern die Produkte der deutschen Landwirte schmackhaft machen wird, steht in den Sternen. Beim BMELV hat man noch keine Aktivitäten dazu ausmachen können. Zwar gibt es beim Bauernverband zaghafte Ansätze, aber sonst? „Ich weiß von keinen Aktivitäten in dieser Richtung“, sagt Philip zu Erbach Fürstenau, Sprecher im Ministerium. „Hier sind dann die Branchenverbände gefragt.“ Also wird jetzt der Verband der Milchindustrie Werbung für Milch machen. Oder der Bundesverband der Milchviehhalter? Keiner weiß es. Und ähnlich sieht es bei anderen Agrarprodukten aus.
Auch, ob ein Marketing bundesweit zentral gesteuert werden kann, ist völlig offen. Vielleicht machen die Obstbauern aus dem Fränkischen Werbung im Norden und die Apfelzüchter aus dem Alten Land bei Hamburg kleben Plakate am Bodensee. Geflügelwirt Georg Heitlinger hat zumindest seine eigene Website aufgepeppt und vermarktet sich erstmal selbst.