Johannes Vetter, PR-Chef des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV, warnt vor einer zunehmenden Verachtung des Journalismus. "Wir haben in Europa doch schon viel mehr Trump in uns, als wir wahrhaben wollen. In Wahrheit sind viele Eliten in Europa Trumps Haltung viel näher – und nur mit seinem Stil nicht einverstanden. Der tief sitzende Wunsch bei politischen und wirtschaftlichen Eliten nach einer Welt ohne Medien ist viel größer und weiter fortgeschritten, als wir wahrhaben wollen", sagte Vetter in einem Streitgespräch mit fischerAppelt-Chefredakteur Dirk Benninghoff.
Beide diskutieren
in der aktuellen Ausgabe des PR Reports leidenschaftlich über eines der wichtigsten Themen der Branche: Killt Content Marketing den Journalismus?
Vetter hatte vor einigen Monaten mit einem Beitrag im "Standard" die Debatte angestoßen (
"Content-Marketing hat uns der Teifl gebracht"). Nach dem
Interview von Daimler-Kommunikationschef Jörg Howe in der Januar-Ausgabe des PR Reports mischte sich Benninghoff ein (
"Die Mär vom Killer Content Marketing").
Im Streitgespräch sagte Benninghoff: "Herrn Vetter werfe ich vor, dass er Journalisten in Medienhäusern eine Blaupause geliefert hat, um von deren Problemen abzulenken und Content Marketing als das neue Problem der klassischen Medien hinzustellen. Er überhöht dessen Bedeutung für die Probleme der Medienhäuser und des Journalismus."
Vetter hielt dagegen: "Content Marketing ist nicht das Problem des Journalismus. Dafür sind dessen Probleme zu vielfältig. Mir geht es um ein grundsätzliches ethisches Problem, das entsteht, wenn Unternehmen denken, mit Content Marketing können sie sich den Journalismus sparen. Wenn Daimler sagt, wir machen unser eigenes Medienhaus, weil wir diese lästigen Journalisten und diese Unabhängigkeit gar nicht mehr wollen. Das halte ich für bedrohlich."
Vetter weiter: "Wir leben in Zeiten von Fake News, Lügenpresse, alternativen Fakten und so weiter. Und wir unterstützen das Ganze, wenn wir mit diesem Content-Marketing-Trend weitermachen." Es brauche eine Wertschätzung für den Journalismus in Unternehmen, die es teilweise nicht gebe.
"Ich weiß aus Österreich, dass neun von zehn Managern gern mehr Kontrolle über die Berichterstattung über ihre geschäftliche Entwicklung hätten. Auch in Deutschland kann ich mir nicht vorstellen, dass zum Beispiel die großen Autokonzerne in der aktuellen Diesel-Debatte nicht gern mehr Kontrolle hätten. Die Versuchung, sich den Journalismus sparen zu können, ist sehr groß."
Dazu sagte Benninghoff: "Ich würde zwar keinem Manager unterstellen, dass er die Presse ausschalten will, aber eine gewisse Sympathie haben sicher viele für die Vorstellung, dass die Presse weniger Einfluss haben könnte. Da sind die Kommunikatoren in den Unternehmen gefordert, gegenzusteuern, wenn es diese Bestrebungen wirklich geben sollte. Denn die Kommunikatoren verlieren auch einen Teil ihres Jobs, wenn die Kommunikation zunehmend zum Marketing wandert. Dann ist der Kommunikator nur noch der Erfüllungsgehilfe des Marketings."
Das ganze Streitgespräch lesen Sie
im aktuellen PR Report. Darin geht es auch um unmoralische Angebote und wie Verlage am eigenen Ast sägen. Hier können Sie das Magazin als
E-Paper und
Printausgabe bestellen. Oder im
iKiosk.