Der Megatrend Digitalisierung verändert auch die Unternehmenskommunikation. Die Leipziger Public Relations Studenten (LPRS) haben dazu bei ihrem PR-Salon mit Michael Schlechtriem gesprochen, verantwortlich für Kommunikationsstrategie und Entwicklung im Bereich Corporate Communications der Deutschen Telekom. Es geht um die neuen Aufgaben und Rollenanforderungen in der PR, Technologiekompetenz und Kontrollverlust.
Herr Schlechtriem, welche neuen Rollen und Aufgaben kommen auf den Kommunikator von morgen zu?
Die klassischen Kompetenzen werden auch künftig wichtig bleiben, es kommen aber viele neue Aspekte hinzu. Die Kommunikationsabteilung wird sich insgesamt immer stärker zu einem internen Enabler entwickeln, der andere bei der Kommunikation berät. Das heißt natürlich nicht, dass die Unternehmenskommunikation überhaupt nicht mehr selbst kommunizieren wird. Es werden aber perspektivisch vermehrt andere absenden, die dabei professionelle Unterstützung brauchen. Insbesondere bei den digitalen Medien ergeben sich ja zahlreiche neue Möglichkeiten. Das setzt voraus, dass sich die PR-Professionals kontinuierlich mit neuen Kanälen, Tools und Formaten beschäftigen.
Droht der Unternehmenskommunikation damit nicht ein Kontrollverlust?
Die Veränderung ist ja schon lange spürbar, die Frage ist, ob man darin eine Bedrohung sieht. Das klassische "One-Voice"-Prinzip mit einer kontrollierenden Kommunikationspolizei wird im aktuellen Umfeld immer schwieriger durchsetzbar. Das kann man nun gut finden oder auch nicht, aber die Entwicklung wird sich ja kaum aufhalten lassen. Wenn Unternehmenskommunikation künftig aktiv gestalten möchte, muss sie sich der veränderten Situation stellen. Alte Prinzipien fallen weg, neue Möglichkeiten entstehen. Dabei geht es dann viel mehr um die Moderation des gesamten Kommunikationsprozesses und weniger um das reine Absenden.
Was bedeutet das für die Anforderungen an die Kommunikatoren?
Zum einen sind das dann natürlich Beratungs- und Moderationskompetenzen. Zum anderen müssen sich die PR-Professionals sehr viel mehr mit der hohen Dynamik ihres jeweiligen kommunikativen Umfelds auseinandersetzen. Das digitale Medienzeitalter ist vor allem ein Kontext-Zeitalter. Der Wert einer Geschichte definiert sich zunehmend über ihren Kontext. Das setzt für den Erfolg einer Kommunikationsmaßnahme in hohem Maße analytische Fähigkeiten und auch den Einsatz entsprechender Technologien voraus. Kommunikatoren werden damit immer mehr zu übergreifenden Community Managern ihrer Themen in den unterschiedlichsten Kommunikationskontexten. Das hat eine völlig andere Qualität, zumal die herkömmlichen Anforderungen ja nicht wegfallen werden.
Der Kommunikator entwickelt sich also quasi vom Gatekeeper zum Community Manger. Ist diese Aufgabe überhaupt in der Unternehmenskommunikation richtig angesiedelt?
Absolut. Im Grunde geht es ja darum, die klassischen Stärken der Unternehmenskommunikation in ein stark verändertes Umfeld einzubringen. Unternehmenskommunikation kann den Dialog gestalten, das gehört sozusagen zu ihrer DNA. Von jeher bestand eine zentrale Herausforderung darin, zwischen Positionen oder Zielen des Unternehmens und den Anforderungen verschiedener Stakeholdergruppen kommunikativ zu vermitteln. Die Kommunikationsabteilung hat in der Regel einen guten Blick für das große Ganze, ein verlässliches Gefühl dafür, welche Themen in der Entstehung sind und eine hohe Kompetenz, sachlich zu argumentieren. Gute Voraussetzungen für das digitale Medienzeitalter, die dafür aber weiter systematisiert werden müssen.
Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Was wird Ihrer Meinung nach "The Next Big Thing" in der Unternehmenskommunikation?
In nächster Zeit wird uns vor allem die Frage beschäftigen, wie neue Technologien in der Unternehmenskommunikation vernünftig eingesetzt werden können. Technologie nicht der Technologie willen, sondern um zu unterstützen, damit mehr Zeit für andere Herausforderungen bleibt. Die Unternehmenskommunikation sollte sich daher mit technologischen Möglichkeiten befassen und dabei auch über den Tellerrand schauen, um von anderen Kommunikationsdisziplinen zu lernen.
Unter dem Motto: "Taumeln wir in die Digitalisierung? Wir brauchen eine digitale Verantwortung!" hat die Telekom eine Debatte über die Chancen und Risiken des digitalen Wandels angestoßen. Worum geht es dabei?
Die Digitalisierung wird am Ende in allen Lebensbereichen Veränderungen mit sich bringen. Viele Menschen machen sich Sorgen und fragen sich, was da auf sie zukommt. Wir sind der Meinung, dass die Chancen bei der Digitalisierung deutlich größer sind als die Risiken. Das setzt aber voraus, dass in der Gesellschaft aktiv gestaltet wird. Genau an diesem Punkt setzt unsere Initiative Digitale Zukunft an. Es geht darum, einen offenen Dialog anzustoßen und so viele Menschen wie möglich zu motivieren, mit zu diskutieren und aktiv mitzugestalten.
Interview: Janina Renk (Master Communication Management)
Tipp: Wie die Kommunikation der Deutschen Telekom sich den Herausforderungen durch die Digitalisierung stellt, können Sie
bei unserer "Content-Tour" am 6. und 7. März 2017 erfahren. Wir besichtigen dabei nicht nur die Content-Factory der Telekom, sondern hören auch, wie Christof Ehrhart, Head of Corporate Communications and Responsibility bei der Deutschen Post DHL, seine Abteilung für das digitale Zeitalter aufgestellt hat.
In Köln lassen wir uns von Martin Brüning, Kommunikationschef von Rewe, den Content-Pool des Handelsriesen zeigen, der auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtete Inhalte auf vielfältigen Kanälen ausspielt. Claus Zemke, PR-Chef des Spezialchemiekonzerns Lanxess, wird demonstrieren, dass es auch im B2B-Umfeld auf emotionale und intelligente Inhalte ankommt.
Im Workshop mit dem Experten Sascha Stoltenow (Script Communications) geht es um Methoden, Instrumente und Prozesse aus dem Bereich der Content-Strategie. Stoltenow: "Die Digitalisierung bietet Unternehmen vielfältige neue Kommunikationsmöglichkeiten. Um in diesem Umfeld Inhalte strategisch zu planen und einzusetzen, braucht es einen Perspektivwechsel - weg vom Absender hin zum Empfänger. Damit einher geht eine veränderte Art und Weise der internen Zusammenarbeit, denn das Publikum unterscheidet nicht danach, welche Abteilung gerade mit ihm kommuniziert."